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Und noch jemand der seine Pu-Jungfreulichkeit verloren hat


Thorben

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Ich hatte eigentlich gar nicht vor Pu-Erh zu kaufen. Wirklich nicht. Aber wie das so ist, manchmal wird man im Teeladen seines vertrauens überrascht. Eigentlich hatte ich nach chinesischem Grüntee gefragt. Es wurden dann irgendwie "Teeziegel" vorgeschlagen und ich wurde hellhörig. Auf einmal lag da also ein kleiner Bing (80g) Pu-Erh auf dem Tisch. Den hab ich dann auch gekauft.



Man wusste im Geschäft auch nicht so endlos viel dazu, darum habe ich mir die Expertenfragen lieber gespart, in der Hoffnung, den Tee zuhause genauer identifizieren zu können. Das einzige, was ich durch den Wrapper mittels Chris' Guide rausgefunden habe, war, das es sich um einen Jing Mai (景邁山) handelt. Ich weiß also nichtmal, ob ich da einen Shu oder Sheng gekauft habe, die Symbole habe ich auf dem Wrapper nicht gefunden. Ich vermute wegen der dunklen Farbe (schwarze und kastanienfarbene Blätter) dass es sich um einen Shu handelt.



Ich war also auf das schlimmste gefasst. Ich habe alle Aufgüße mit fast kochendem Wasser durchgeführt (jeweils gewartet, bis im Wasser keine Blasen mehr aufsteigen). Ich habe etwa 5g vom Kuchen abgebrochen und mit etwa 100ml aufgegossen. Mutig wie ich bin habe ich sämtliche gut gemeinten Ratschläge dieses Forums ignoriert und den Tee nicht vorher gewaschen um zumindest beim ersten mal alles zu erleben.



Den ersten Aufguß habe ich wirklich nur 5 Sekunden lang ziehen lassen, die Farbe war wie die Blätter Kastanienbraun. Der Gerucht erinnerte mich entfernt an ... Biomüll, der bereits vor einer halben Woche hätte rausgebracht werden wollen. Sollte das der legendäre Komportgeruch sein? Eigentlich finde ich den Geruch von altem Biomüll wirklich abscheulich, manchmal löst er sogar einen Brechreiz aus. Der Geruch war zwar stärker als ich es von meinem geliebten Grüntee überlicherweise kenne, aber trotzdem nicht schlimm genug um wirklich unangenehm zu sein. Trotzdem hatte ich wirklich Angst vor dieser Tasse Tee, als ich wartete, bis er auf Trinktemperatur abgekühlt ist. Der erste Schluck zeigte jedoch schnell, das meine Angst unbegründet war: Der Tee hat sich als sehr lecker erwiesen! Kompostgeschmack war nicht auszumachen, auch keine Erde. Vielmehr schmecke diese Tasse so, wie ich mir wirklich guten Assam vorstelle. Allerdings - ihr wisst vielleicht, das ich keine malzigen Tees mag - ohne eine ausgeprägte Malznote. Auch das Mundgefühl war sehr gut. Der Tee war weder Bitter noch Herb, eine sehr runde und angenehme Tasse.



Auch den zweiten Aufguß habe ich nur wenige Sekunden lang ziehen lassen. Trotzdem war die Tasse tief Schwarz, fast wie Kaffee. Der Geruch war diesmal eher fischig. Tatsächlich ein Shu? Ich musste nochmal meinen Mut zusammen nehmen, um einen Schluck zu nehmen. Erde. Ja, die Erde war definitiv da. Aber überhaupt nicht aufdringlich oder schlimm. Die Tasse lag geschmacklich irgendwo zwischen Ostfriesentee und Kaffee, aber besser als beide (zumindest pur getrunken). Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, Sahne in den Tee zu geben.



Den dritten und vierten Aufguß habe ich etwas länger ziehen lassen, insgesamt hat sich dabei nicht soviel verändert. Der Tee beweist zumindest deutlich mehr Standfestigkeit als ich es von anderen Tees gewöhnt bin! Die Aufgüße sind nur geringfügig schwächer als die zweite.



Und dann brauchte ich erstmal eine Pause. Vielmehr als 5 Tassen Tee am Stück zu trinken bin ich dann doch nicht gewöhnt. Ich werde es etwas später nochmal mit den gleichen Blätter probieren.



Alles in allem muss ich aber an dieser Stelle schonmal sagen, dass dies ein wunderbarer Tee für mich ist, obwohl ich davon ausgehe, dass dieser Tee ein Shu ist. Ich werde in Zukunft also definitiv mehr Pu-Erh kaufen.



Kleine Frage an die Experten an dieser Stelle: gibt es eine Methode, den Tee eindeutig als Shu zu identifizieren? Ich habe mal ein Bild vom Wrapper angehängt, leider kriege ich es mit meiner alten Kompaktkamera nicht scharf genug hin, als das man wirklich die Schriftzeichen erkennen könnte ... Vielleicht kann ja der eine oder andere noch irgendwas über diesen Tee sagen.


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Hallo Thorben,



das liest sich sehr schön und man kann Deine Empfindungen und Eindrücke wirklich gut nachvollziehen. Mein erstes pu-erh Erlebnis hatte ähnliche Vorraussetzungen, sprich viel Tee auf wenig Wasser, was für mich erst einmal abschreckend war. Wenn Dir das so schmeckt, werden bestimmt noch viele schöne Teestunden auf Dich warten.



Der (leichte) Fischgeruch ist schon mal ein Kriterium, an dem man erkennt, dass es sich um "shou" handelt. Auch der dunkle Aufguss, von der Farbe wie Kaffee, lässt darauf schließen. Du kannst nach einer Session mal ein Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger leicht reiben. Löst sich dieses schnell auf, ist es meist ein "shou", da die Blätter durch das spezielle Verfahren stark an Struktur verlieren.



Viel Spaß auf jeden Fall bei Deinen Tees!



Tobias


Bearbeitet von Tobias82
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Puh, deine Geschichte hört sich an wie ein Sprung ins dunkle Wasser, und das noch aus einem Hubschrauber mit russischen Promis.


Nee Spass beiseite.



Mir war es sehr wichtig, was ich als ersten Pu habe, gute Herkunft, und geschmacklich ein geplanter, sauberer Übergang - ich sehe,


es geht auch anders, ohne, dass man danach 10 Jahre warten muss auf den nächsten Einstieg (Totalablöscher).


Bin aber trotzdem froh, dass ich keinen Kompostgeruch hatte - das wäre vielleicht schon Endstation gewesen für mich. Respekt fürs weiter Abtauchen!


Der Geruch von meinem hat mich eine ganze Weile zum Grübeln gebracht, bis ich es genau zuordnen konnte, weil ich das nur ein paar wenige Male im Leben gerochen habe,


und es Gott-sei-dank schon viele Jahre her ist. Trotzdem verblüffend. Na, seien wir froh, dass das Zeug unaufgegossen nicht so riecht, sonst käme es wohl nicht mehr durch den Zoll.


Oder Chenshi hast du mir da einen Spezialmix gemacht?!? :lol:



Ich denke ich kopiere aber das von dir mit den 5 Sekunden am Anfang - ich habe mit 20 begonnen, und war schon etwas deftig.



Was deine Frage angeht:


Du könntest den Wrapper oder gleich auch den ganzen Fladen auf den Scanner legen - die meisten bringen ganz brauchbare Resultate!


Bearbeitet von GoldenTurtle
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hab den mal gegooglet, müsste der "Shuangli jingmaishan yun" im link sein:



http://bangpai.taobao.com/group/thread/398012-13329026.htm



ist klar shucha, scheinbar von 2010 (zumindest der im link). Ist eine von einem Hersteller den ich bis dato auch nicht kannte, aber wie die meisten in Menghai sitzt.


deiner beschreibung nach scheint es ein ziemlicher preis-leistungs killer zu sein (weiss ja nicht für wieviel du ihn im geschäft deines vertrauens gekauft hast)



Wenn du dich noch ein bisschen durchprobieren möchtest, speziell bei shengcha, kannst du mir ja eine PM schicken, oder bei deinem händler mal nach weiteren proben fragen.



@turtle


von 8 von 10 lieferungen kann ich zum zoll erklären was das ist (hat ein bisschen was von dinner for one...)


spezialmischung... schön wärs :D

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Herzlich willkommen in unseren Reihen der Pu-Heads! :D



Mit der Sahne im Tee hättest Du noch nichtmal einen ausgefallenen Frevel begangen:


a) bei den Hirten der Mongolei ist dunkler Ziegeltee sehr beliebt und wird mit Milch zubereitet


B) der tibetische Buttertee ist auch Puer (oder ähnlicher Heicha) mit einem Molkereiprodukt


c) in Hongkong hat sich vom englischen Einfluss her Milktea etabliert, der dort gerne mit dem beliebten Bolei (lokaler Ausdruck für Puer) zubereitet wird


und


d) bei Tee ist sowieso nur das "richtig" was dem Teetrinker schmeckt - egal, was andere sagen. ;)



Den eindeutigen Shu-Test (zwischen Fingern zerreiben) hat Tobias schon genannt. Aber nach der Erlebnisbeschreibung hätte ich auch so schon meine gesamten Shu-Bestände darauf verwettet, dass Du Shu in der Tasse hattest.



Shu hattest Du schon, jetzt kannst Du noch alten und jungen Sheng probieren. Und verschiedene Lagerungen (feucht, trocken) und verschiedene Regionen, und Blends verschiedener Fabriken und und und ... es gibt so herrlich viel zu entdecken!


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Danke, Chris! Die Identifikation ist ziemlich sicher korrekt, 2010 stimmt auch (ich hab das nochmal mit dem Wrapper abgeglichen). Ob das ein Preis-/Leisungssieger ist kann ich nur schwer beurteilen. Der Tee schmeckt gut, ist süffig, allerdings weiß ich nicht wieviel Tiefe andere Shus zu bieten haben, in diesem Bereich steht der Tee hier möglicherweise etwas schlecht da. Der Tee war ungefähr im 10 Euro / 100g Bereich angesiedelt. Auf dein Angebot komme ich eventuell später nochmal zurück, ich hab noch etwas mehr Tee gekauft und muss nun erstmal wieder verbauchen.



Einen Scanner habe ich leider nicht, aber ich habe den Tee nun bei einem tschechischen Händler entdeckt, bei dem es auch gut erkennbare Bilder gibt: Klick mich. Der Preis dort entspricht umgerechnet nur etwa 7,70 Euro, aber ich schätze mal dass das Preisniveau hier in Deutschland halt einfach höher ist.



Geroha: Ich hab halt um ehrlich zu sein einfach keine Sahne im Haus gehabt :D Trotzdem Danke für die fundierten Hintergrundinformationen.


Bearbeitet von Thorben
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10 euro sind bei unseren preisen für 100g ok, für unter 5 euro würd ich dem braten in europa nicht trauen :D



es gibt viel, verdammt viele kleine fabriken, manufakturen oder unabhängige teebaueren da draussen, und nur die bekannesten und angesagtesten dringen zu uns durch. vielleicht hast du ja ein kleinod entdeckt?! bei manchen pu's die gar nicht mal soooo dolle sind bezahlt man viel geld für relativ wenig geld weil halt von jemand bestimmtes hergestellt ist (wie bei allen dingen so). damit möchte ich eigentlich nur sagen, dass es durchaus ein guter sein kann! wenn es den bei dir im laden gibt und auch in tschechien, kanns ja so übel nicht sein - vorrausgesetzt die leuten stehen auch zu dem was sie verkaufen und haben zumindest selbst mal probiert.

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