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Welchen Tee trinkt ihr heute?


Empfohlene Beiträge

@GoldenTurtle

Danke für den Hinweis, ich wasche nicht alle Tees, aber Shou und älteren Sheng auf jeden Fall.

Falls ihr trotzdem nichts mehr von mir hören solltet, hebt ab und an mal in Gedenken eure Schälchen auf mich, aber bombardiert YeeOn nicht mit schlechten Bewertungen :D Ich habe ja ganz bewusst mal "einen Versuch gewagt"... Und bin froh, dass ich solche Giftstoffe überhaupt unbehelligt in die EU einführen durfte.

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Am 29.9.2021 um 17:32 schrieb GoldenTurtle:

Das Dorf - es ist ein früheres Kaiser Tee-Tribut Dorf. Allein dafür bezahlt man ca. 2/3 vom Preis.
Darum nannte ich jeweils Tee von dort Man Song Gong (Cha) ... Gong Cha, d.h. für den Palast bestimmt.

Danke für das Detail. 

Im Moment jagt eines das andere und ich greife vorwiegend auf bewährte Tees aus der eigenen kleinen Sammlung zurück.

Diese Woche ging deshalb der 2020er Bingdao von Chris in Rente, sozusagen. Über den Tee selbst habe ich schon genug geschrieben und in dem knappen Jahr Trinkzeit hat sich in der Tasse nichts erwähnenswertes verändert.

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Ein paar Worte zu Binggewicht müssen noch sein. Denn 357g sind schon eine Menge Tee. Ich habe den Tee nicht konstant, sondern phasenweise getrunken. Nach Erhalt ein gutes Stück (ca. 40%), gefolgt wenn ein paar Monaten Pause. Anders als bei 200g Bings hatte ich danach keine Scheu auch mal drei oder vier Sitzungen in einer Woche zu genießen. Dadurch lernt man den Tee anders kennen, aber er verliert auch ein Stück weit das Besondere und einzelne Sitzungen hinterlassen keinen deutlichen Fußabdruck mehr. Man erinnert sich, wenn überhaupt, an eine angenehme Zeitspanne, als an einen bedeutenden Zeitpunkt oder konkreten Anlass. Die letzten 40g lagen schon länger, weil immer ein neuer und frischer Tee dazwischen kam. BwL'er denken an den Grenznutzen :). 357g waren definitiv die bessere Größe als 200g. Jetzt habe ich aber auch erst mal genug.

Begleitend zum Schreiben, habe ich Peters Lao Cha 2016 im Schälchen. Nach @Shibo's Verkostung war ich verwundert über die Unterschiede zwischen seinen, @doumer's und meinen Notizen. Das kann selbstredend für den Tee und seine Varianz sprechen. Andererseits sitze ich hier gerade ratlos, weil ich keinen der drei Berichte im Tee wiedererkenne. Da muss ich nochmal mit dem Kännchen ran. 

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Nachtrag zu gestern, da es mir hier nicht mehr für einen Post gereicht hat: 2013 Bangwei Gushu von Yu

Vorab: Bangwai oder Bangwei (beides mal 邦崴 geschrieben) ist eines der Dörfer, die mir Rätsel aufgibt: es gibt wohl eines im Fudong township (富东乡) in Lancang (澜沧县) und eines im Wenlong township (景福乡) in Jingdong (景东县) - da aber sowohl die romanisierte Schreibweise als auch die Originalschreibweise absolut identisch ist und der einzige Unterschied soweit ich das gesehen habe, dass man das Dorf in Lancang mal mit ei mal mit ai schreibt und das Dorf in Jingdong immer mit ei schreibt, nutze ich das als Unterscheidungsmerkmal. Das ist aber natürlich nur innerhalb von meinem Blog stringent, denn dieser Tee von Yu ist mit ei geschrieben, ich bin mir aber recht sicher, dass es sich um das deutlich bekanntere Dorf in Lancang handelt. Vielleicht liegen mir hier aber auch falsche Informationen vor - falls daher jemand verlässliche genauere Infos hat, wäre ich dafür sehr dankbar!

Aber zum Tee: mit einer ausgeprägten süß-würzigen Holzigkeit und für Yu überraschend derbe, etwas bittere Facetten ist der Tee ein Musterbeispiel für einen guten Bangwai. Insbesondere die Holzigkeit kommt bei diesem Tee wunderschön zu tragen - nicht ganz so süß wie z.B. bei dem 2013er Manzhuan von prSK aber dafür ebenfalls mit einer leicht harzigen Note, auf die ich total stehe - das gepaart mit bitteren Facetten und einem für Yu überraschend derben Charakter (natürlich trotzdem deutlich runder/geschmeidiger als ein gleichaltriger Bangwei von anderen Produzenten wie z.B. dem tollen 2014er Long Lan Xu von EoT) ergibt für mich die volle Punktzahl auf der Geschmacks- und Charakter-Ebene! Das Aroma wird ebenfalls von der süßen Holzigkeit dominiert und man weiß schon beim Betreten des Raumes, dass da etwas ordentliches im Kännchen sein muss - auch nicht unwichtig: im leeren Schälchen duftet es schön derb nach Stall, immer ein gutes Zeichen! Das Qi des Tees hingegen entspricht sehr dem, was ich bislang von anderen Yu-Shengs kennen lernen durfte: sehr mild im Auftreten aber durchaus vorhanden - man spürt im Vergleich zu anderen Shengs kaum, dass sich die Energie im Körper bewegt, nach einer Weile wird einem aber dann bewusst, dass sich etwas verändert hat und der Fleischsack voller Blut, Knochen und wirbelnder Gedanken doch etwas ruhiger und entspannter auf dem Kissen sitzt als normal. Der Tee ist nicht sonderlich schwer aber trotzdem irgendwie "voll" und im Laufe der Aufgüsse kommt auch immer mehr eine sehr schöne, leicht pilzige Fermentationsnote zum Vorschein - sehr ähnlich wie bei dem 2015er Bangpen von Yu. Alles in allem ein wirklich toller Tee, den ich auf Grund der Erfahrung mit jungen Yu Shengs so nicht von ihm erwartet hätte - der Ausflug in die "älteren" Yu Shengs hat sich für mich absolut gelohnt, um sein Produktionsprofil besser zu verstehen!

Allerdings stellt mich der Tee mal wieder (wie häufiger in letzter Zeit) vor das Problem der Bewertung: es ist ein Tee wie z.B. der 2020er Mansa von prSK der mich auf der subjektiven Ebene absolut packt und die maximale Punktzahl verdient hätte, auf der objektiven Ebene muss es aber nach oben noch Luft geben, da er z.B. rein von der Qualität her nicht mit dem 2013er Laobanzhang oder dem Rareness 6 ebenbürtig ist (letzterer ist sowieso so abgespact, dass er völlig außer Konkurenz ist). Dass die Bewertungen daher (und auf Grund von anderen Faktoren wie dass man mit jedem Tee etwas dazu lernt, es von vielen Faktoren wie z.B. der Tagesform abhängig ist, wie man einen Tee wahrnimmt etc.) kaum mehr als ein Richtwert sind spricht eigentlich dafür, diese komplett zu entfernen - andererseits sind sie immerhin ein Richtwert und bei (Stand heute) 688 besprochenen Tees in diesem Blog ist das zumindest für meine eigene Nutzung essentiell, um schnell die gewünschte Information zu extrahieren.

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Und von heute: 2021 Baohong von Nannuoshan

Ein weiterer chinesischer Lucha mit einem Namen voller Pathos: Baohong (宝洪), was übersetzt "Juwelenflut" bedeutet. Dabei sieht er gar nicht so umwerfend aus, etwas wie ein verunglückter Longjing - im Aroma sind aber klare Parallelen zu erkennen, da auch hier eine schöne Nussigkeit dominiert. Diese findet sich zwar erwartungsgemäß auch im Geschmack wieder (was mir wie beim Longjing von Chris kürzlich erwähnt sehr gut gefällt), aber der Tee ist weniger süß was dafür durch eine Fruchtigkeit ausgeglichen wird, die durch eine gewisse Adstringenz sehr frisch wirkt. Durchaus ordentlich, die Mischung von ausgeprägter Nussigkeit und Fruchtigkeit wirkt aber nicht ganz so stimmig wie die Mischung von Nussigkeit und Süße bei einem Longjing - zumindest für meinen Geschmack.

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Das nächste Duo von YeeOn Tea. Diesmal sind zwei lose '99er Shengs Gegenstand der Besprechung.

   Dieser Tee wurde aus "broad grade" Material von "alten Bäumen" aus Mengku hergestellt.

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Das trockenen Blatt zeigt sich sehr verschlossen und riecht eigentlich nur nach altem Holzregal. Im nassen Blatt immer noch diese Holznote, aber auch Früchte wie Apfel und Quitte, sowie winterliche Backgewürze.
Der Aufguss ist fruchtig, süß, und lässt zeitweise ein bisschen an Weihnachtsstollen denken. Besonders die langen Aufgüsse riechen appetitlich und intensiv.
Am Gaumen ist der Tee holzig, fast staubtrocken, mit einer durchaus prägnanten, aber eher oberflächlichen bzw. schnell verpuffenden Bitterkeit. Letzteres finde ich gut, da so mehr Platz für die sehr dezente Aromatik bleibt. Die Textur ist dagegen umso bemerkenswerter: buttrig weich und dabei leicht, ohne aber wässrig zu sein.
Der Abgang ist trocken-holzig mit ausgeprägtem Sheng Jin und etwas enttäuschendem Huigan.

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Dieser Sheng stammt von "alten Bäumen" aus Menghai. Es wurden "medium grade" Blätter verwendet, welche, im Gegensatz zum Blattgut des oben besprochenen Tees, in der Sonne gedarrt wurden..
Die Duftnote des trockenen Blatts ist - ihr ahnt es - die eines alten Holzregals. Womit dann auch unwiderlegbar bewiesen wäre, dass es sich dabei um die Lagerungsnote von YeeOn Tea handelt.
Im nassen Blatt kommt auch wieder eine gewisse Fruchtigkeit hinzu, allerdings ist diese hier deutlich weniger ausgeprägt. Eine ansprechende, milde Kaffee-Note schwingt mit. Im Aufguss wird es dann funky bis seltsam. Etwas fruchtig, etwas erdig, aber auch eindeutig etwas gekochter Blumenkohl.
Der findet sich auch am Gaumen wieder, neben holzigen Noten, Kellermuff, und leider auch einer gewissen Seifigkeit. Der Tee ist außerdem nochmal deutlich bitterer. Auf Texturebene sind ähnliche Pluspunkte wie beim oben besprochenen Sheng zu verzeichnen, allerdings bevorzuge ich dessen dezenten Geschmack gegenüber diesem eher ungewöhnlichen Geschmack. Der Abgang ist fast identisch, daher s.o.

Den ersten Sheng fand ich interessant und wegen seiner tollen Textur reizvoll. Der zweite holt mich überhaupt nicht ab.


P.S. Das abgebildete Buch habe ich diese Woche zu Ende gelesen. Ein wertvoller Text aus einer spannenden Perspektive. Liefert viel Stoff zum Nachdenken.

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Zuerst zwei Tees vom Wochenende:

Lao Cha 2016 pu-erh.sk: Der Cake konnte mich nicht da abholen, wo die Probe mich stehen lies. Nachdem hier noch Verkostungsnotizen gepostet wurden, hatte ich den Tee im Gaiwan, im Kännchen und mit mehr Ruhe. Vom Tee steigen erste dezente Alterungsnoten gemeinsam mit einer leichten Würze empor. Bei den drei ersten Aufgüssen schwingt Schwarztee mit. 

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Die erste Schale  ist mild und nichtssagend. Ab dem zweiten Aufguss ist der Tee kräftiger und eine gleichbleibende Bitterkeit setzt sich fest. Bitter ist in aller Regel nicht mein Fall, aber hier ist noch alles im Grünen Bereich. Das Mundgefühl wechselt von trocken, aber nicht zusammenziehend, in den ersten drei Aufgüssen, zu mehlig in den darauf folgenden. Kurz vor Schluss glaube ich, die von @Shiboangesprochenen Beeren zu erschmecken. Die Probe und die Verkostungsnotizen von euch, bescheinigen dem Tee mehr Potenzial, als er jetzt zeigt. Bei nächster Gelegenheit möchte ich den Cake komplett und vorsichtig aufbrechen.

 

 

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Huangpian Mansa 2020 pu-erh.sk: Nach zwei Schluck sind die Ähnlichkeiten mit Teamanias 19er Huangpian Mansa Brick, den wir Anfang des Jahres verkosteten, unübersehbar. Die Aprikose ist auch hier im Zentrum. Um es kurz zu machen: Peters Tee ist durch seine Pressung leichter zu handhaben. @Diz's Tee ist geschmacklich vorne. 

 

 

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Heute ist es der Gushu Mansa 2020, ebenfalls von Peter. Nach der Huangpianversion erwarte ich natürlich Aprikose oder zumindest einen fruchtigen Tee. Weit gefehlt. Dieser hier ist auf der Kräuterseite des Lebens zu Hause. Geruch ist vernachlässigbar. Dafür startet der Tee sofort durch. Wie gesagt Kräuter, keine speziellen, einfach eine solide und kräftige Kräutermischung. Aufgelockert wird das ganze von einer darunterliegenden Süße, sehr dezent, gelegentlich spitzt sie durch. In der Beschreibung des Tees steht, dass ein kleiner Anteil Krabbenscheeren dem Rohmaterial beigemengt wurden.  In meiner Probe habe ich keine finden können. Gut möglich also, dass der Tee auch eine Spur süßer sein kann. Es ist eine kräftige, wärmende und angenehme Flüssigkeit. "Jung" ist er zwar dem Alter nach, er fühlt sich aber älter an, Spritzigkeit und Aggressivität sucht man vergebens. Trotzdem muss man mit der Ziehzeit aufpassen, sonst sind die Kräuter zwar nicht unangenehm, aber auch kein Genuss mehr. Nicht der Tee den ich erwartet habe, aber bisher der beste aus den 2020er Chinatees. Allerdings wartet noch der Lao Mansa und der Rareness6 auf eine Verkostung.

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Ergänzung:  Ab Aufguss 6 löst sich die Kräutermischung mehr in ihre Bestandteile. Konkrete Kräuter kann ich jedoch immer noch nicht benennen. Einziger Wehrmutstropfen ist seine Eindimensionalität.

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vor 11 Stunden schrieb Getsome:

Huangpian Mansa 2020 pu-erh.sk: Nach zwei Schluck sind die Ähnlichkeiten mit Teamanias 19er Huangpian Mansa Brick, den wir Anfang des Jahres verkosteten, unübersehbar. Die Aprikose ist auch hier im Zentrum. Um es kurz zu machen: Peters Tee ist durch seine Pressung leichter zu handhaben. @Diz's Tee ist geschmacklich vorne.

Interessant @Anima_Templi, hast du nicht fast alles ziemlich exakt gegenteilig wahrgenommen?

Am 8.10.2021 um 17:10 schrieb Getsome:

Begleitend zum Schreiben, habe ich Peters Lao Cha 2016 im Schälchen. Nach @Shibo's Verkostung war ich verwundert über die Unterschiede zwischen seinen, @doumer's und meinen Notizen. Das kann selbstredend für den Tee und seine Varianz sprechen. Andererseits sitze ich hier gerade ratlos, weil ich keinen der drei Berichte im Tee wiedererkenne. Da muss ich nochmal mit dem Kännchen ran. 

Das war auch witzig und spannend aus deinem neuerlichen Beitrag - dies auch als Nachtrag @doumer zur neuerlichen Diskussion rund um das Thema Bewertungen; ich finde es ja gut, wenn jeder seine eigene Meinung und seinen eigenen Geschmack hat ... einerseits zeigt mir das aber auch, dass Bewertungen meistens hochgradig mit dem eigenen Geschmack des Bewerters zusammenhängen und auf diese Weise für andere eigentlich eine Zielverfehlung darstellen - diverse Eigenschaften sollten ja dennoch nachvollziehbar artikulierbar sein, diese wiederum könnte man mit genügend Erfahrung auch bewerten, aber eben nicht, wie gut diese oder jene Eigenschaft einem selbst schmeckt, sondern wie die Qualität dieser Eigenschaft im Vergleich ist - den eigenen Geschmack von der Bewertung subtrahieren zu können und nur die Qualität an sich zu berurteilen, d.h. also Qualität erkennen zu können, auch wenn sie nicht oder nicht genau den eigenen Geschmack trifft - das ist die grosse Kunst in der Verkostung und Bewertung im Gourmetbereich.

@topic: Wenn ich schon in dem Thema schreibe; ein paar optische Eindrücke (wie sagt man so schön, ein Bild sagt mehr als tausend Worte) von der vorgestrigen Teerunde mit Gourmet-Legende Teefreund F., der hier auch mal verewigt werden muss:

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2021 Tongqinghe von TE

Tongqinghe (同庆河) gehört zur Dorfgemeinschaft Guafengzhai (刮风寨) und liegt somit mitten im Herz einer der gefragtesten Yiwu-Regionen und in Anbetracht dessen, was für Preise für Gushu Sheng aus der Tongqinghe-Region aufgerufen werden kann es sich hier nicht um Material von all zu alten Bäumen handeln - was Tiago auch offen kommuniziert: "Not from the oldest trees, but not youngest either." - das klingt nach Zhongshu aber die Definition sowie die Altersangaben sind wie wir wissen natürlich sehr schwammig. Davon sollte man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen - wie andere Tees beweisen muss es nicht immer Ultra-Highend sein, damit es ein hervorragender Tee ist!
Das nasse Blatt hat einen vertrauten Duft, den ich aber nicht klar zuordnen kann - irgendwie intensiv fruchtig, ohne jedoch sonderlich süß oder reif zu wirken. Um so erstaunlicher ist, dass sich diese Fruchtigkeit kaum im Geschmack wiederfindet - das Geschmackserlebnis ist ohnehin erstaunlich, wenn man bedenkt dass es sich hier um einen Yiwu Sheng handelt: wenig süß, primär "brotig" - durch eine leichte Adstringenz werden eher Assoziationen zu Sauerteig statt Weißbrot geweckt. Das passt gut zu einer "körnigen" Note: so ergibt sich für mich das Gesamtbild von einem deftigen Sauerteig-Vollkornbrot mit einem Hauch Marmelade (etwas Süße und Fruchtigkeit ist schließlich doch vorhanden). Je nach Schälchen ergibt sich nochmals ein etwas anderer Eindruck: im Porzellan-Schälchen von Andrzej Bero tritt die Adstringenz und damit die Fruchtigkeit deutlicher zu Tage, wohingegen diese im Rye-Fingerhut von Jiri Duchek deutlich weniger ausgeprägt ist, dafür wirkt hier die Textur des Tee deutlich weicher und runder - beides passt gut zu diesem Tee! Diese Brot-Note kenn ich zwar durchaus von anderen Yiwus aber in dieser Konzentration ist ungewöhnlich - aber dennoch schafft es der Tee nicht, mich so richtig zu überzeugen: im Gegensatz zu Matt spüre ich hier kaum Qi und auch in Punkto Tiefe bietet der Tee im Vergleich zu anderen nicht viel. Seine Stärken liegen ganz klar im ungewöhnlichen Geschmacksprofiel und einer ordentlich schweren Textur - und dafür ist der Preis mehr als angemessen!

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vor 6 Stunden schrieb doumer:

und auch in Punkto Tiefe bietet der Tee im Vergleich zu anderen nicht viel

Thx für deine Eindrücke ... mit Teefreund F. bin ich kürzlich erneut zusammengehockt um über die Bedeutung von Fachausdrücken zu raufen 😅 ... nee, nee, es war keineswegs negativ ... aber die eigenen Meinungen und Ansichten detailliert und nachvollziehbar zu artikulieren ist schon eine nicht ganz unerhebliche Sache ... was bedeutet jetzt z.B. für dich ganz konkret Tiefe im Tee?

@topic: Der gestrige Schnappschuss einer eher seltenen Taucherkapsel von Jeep in Zusammenarbeit mit der noch ominöseren Pinguin Gesellschaft - das verarbeitete, vermeintliche gs Pflückgut (16er) stammt aus Bannuo, Lincang, welches jedoch auf dem Foto noch ziemlich kompakt ist:

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Bearbeitet von GoldenTurtle
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vor 1 Stunde schrieb GoldenTurtle:

was bedeutet jetzt z.B. für dich ganz konkret Tiefe im Tee?

Guter Punkt - das lässt sich in der Tat nur schwer beschreiben. Tiefe im Tee kann je nach dessen Charakter unterschiedliche Erscheinungen haben - auch abhängig davon, worauf man es bezieht: ein "klassisches" Beispiel ist für mich z.B. wenn ein Tee das Gefühl wie kurz vor einem Gewitter vermittelt - man spürt dass da was kommt, dass sich was in der Atmosphäre verändert ohne dass es etwas greifbares gibt. Oder dass manche Shengs einen so richtig tief durchatmen lassen, als ob man tief im Wald wäre - also eher was zwischen den Zeilen als was konkret messbares.

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Heute waren zwei Spontankäufe an der Reihe. Beides grüne Oolongs aus China, beide aus Jahr und beide von @chenshi-chinatee.

Als ich das letzte Mal nach ein paar Puproben stöberte, wandere unwillkürlich ein Tie Guan Yin in den Warenkorb. Einen Tie Guan Yin kann man ruhig im Haus haben, so jedenfalls meine Rechtfertigung nach dem Impulskauf :) . Da ich von Benshan Wang noch nichts gehört hatte, nahm ich auch davon eine Packung mit.

Jade Tieguanyin 2021:

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Er ist Blumig, buttrig und das "Grün" ist angenehm zurückgenommen, nach zwei Sitzungen rätsele ich an einem Hauch Gewürz in den ersten drei Aufgüssen herum. 5-6 gute Aufgüsse bekommt man heraus und kann dann noch 1-2 weitere zum Ausklang herauskitzeln. Da hat sich der Impulskauf gelohnt.

 

Benshan Wang 2021:

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Er ist ebenfalls blumig, das "Grün" ist kräftiger als beim Tie Guan Jin, aber reißt die Vorstellung nicht an sich.
Von Butter keine Spur, dafür bin ich mir hier mit der Gewürznote sicher. Die Flüssigkeit fühlt sich etwas "grober" an als beim TGY. Mit den Aufgüssen verhält es sich genau so wie beim TGY: 5-6 gute und noch 1-2 zum Ausklang. 

Beim ersten Mal mochte ich den Benshan einen Ticken mehr als den Jade TGY. Heute ist es andersherum. Das ist eine tagesabhängige Sache. Der Jade TGY ist "gemütlicher" und der Benshan Wang "kräftiger".

 

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vor 14 Stunden schrieb doumer:

Tiefe im Tee kann je nach dessen Charakter unterschiedliche Erscheinungen haben - auch abhängig davon, worauf man es bezieht: ein "klassisches" Beispiel ist für mich z.B. wenn ein Tee das Gefühl wie kurz vor einem Gewitter vermittelt - man spürt dass da was kommt, dass sich was in der Atmosphäre verändert ohne dass es etwas greifbares gibt. Oder dass manche Shengs einen so richtig tief durchatmen lassen, als ob man tief im Wald wäre - also eher was zwischen den Zeilen als was konkret messbares.

Das ist ein schöner Ansatz.
Beim obig erwähnten Gespräch vor ein paar Tagen stellte sich heraus, dass es mir selbst am wichtigsten ist, Analyse / Beschreibung / Bewertung etc. nicht als Ziel zu sehen, sondern als Mittel zum Zweck, um den eigenen Genuss zu erweitern und zu vertiefen (Tiefe - hier kommts auch gerade vor, was für mich eine Mehrdimensionalität bedeutet).

vor 8 Stunden schrieb Getsome:

Einen Tie Guan Yin kann man ruhig im Haus haben, so jedenfalls meine Rechtfertigung nach dem Impulskauf

🤣

@topic: Ich nage dann mal etwas weiter an meinem 07ner Xiangyi-Heicha-Rittersport-Brick - quadratisch, praktisch (naja, es geht so), gut:

Am 21.12.2020 um 10:58 schrieb GoldenTurtle:

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vor 10 Minuten schrieb GoldenTurtle:

(Tiefe - hier kommts auch gerade vor, was für mich eine Mehrdimensionalität bedeutet)

Nachtrag: Eine Mehrdimensionalität im Erlebnis

Bearbeitet von GoldenTurtle
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2021 Walong von Yu

Walong (瓦竜) ist eines der Dörfer, mit denen ich bislang nur gute Erfahrungen gemacht hab und ich daher sehr gerne mag - daher hab ich mir nach den durchweg positiven Erfahrungen mit den "älteren" Shengs von Yu direkt blind einen Bing zugelegt und auch wenn Teefreunde dazu raten, Yu Shengs zunächst mal etwas ruhen zu lassen (die positiven Eindrücke der etwas älteren Tees sprechen da ja auch durchaus dafür), ist er kaum eingetroffen auch gleich ins Kännchen gewandert.

Der Bing besteht aus schönem, dunklen Blatt - nicht ganz so dunkel wie bei dem 2020er Walong von TTpl aber definitiv nicht auf der grünen Seite des Spektrums. Das nasse Blatt hat einen intensiv moosigen Duft, in dem sich auch etwas von der schönen Pfirsich-Note der TTpl-Version wiederfindet. Auf der Geschmacksebene erinnert er aber deutlich mehr an den 2015er Walong von ZSL: schwerer wilder Honig und frisch geschlagenes Holz - etwas Pfirsich im Hintergrund aber insgesamt ein Musterbild eines stereotypischen Walongs! Man könnte sogar sagen, dass es sich um eine qualitativ hochwertigere (und natürlich jüngere) Version des ZSL handelt, da genau dieser schwer-süße Walong-Charakter, der mich damals bei dem ZSL-Walong so fasziniert hat hier in eleganterer Form perfektioniert ist, denn trotz aller Süße fühlt sich der Tee rein und tief an und kein bisschen klebrig. @GoldenTurtle um auf eine Diskussion von gestern zurückzukommen: Tiefe ist nicht nur eine "allgemeine" Charaktereigenschaft eines Tees, sondern kann auch auf einzelne Aspekte bezogen werden, wie z.B. hier die Süße. Im Gegensatz zu der oberflächlichen Süße, wie sie bei vielen Jingmai-Sheng zu finden ist, hat die Süße des Walong Tiefe: sie ist nicht synthetischer Süßstoff sondern natürlicher Honig - beides ist süß und wenn es nur um die Süße geht, erfüllen beide den Zweck vollkommen, aber Honig ist so viel mehr als nur Süß, nicht nur im Bezug auf den Geschmack (man bedenke z.B. wie viel Arbeit von vielen fleißigen Bienen darin steckt und was das Ausgangsmaterial für den Honig ist).

Um zum Tee zurückzukommen: neben der vollen Punktzahl auf der Geschmacksebene kann der Tee auch in Punkto Textur überzeugen - voll und schwer macht der Tee Spaß. Interessant ist hier einmal mehr die Auswirkung der Keramik: im Porzellan-Schälchen kommt zwar der Pfirsich etwas mehr durch, was sicherlich auch daran liegt, dass hier eine leichte Adstringenz wahrnehmbar ist, und diese feinen hohen Noten bestimmen auch, wie sich der Tee im Abgang anfühlt - im Gegensatz dazu wirkt der Tee aus der Karatsu-yaki Guinomi von Dohei Fujinoki (藤ノ木土平) deutlich weicher und schwerer, auch wenn das Mundgefühl im ersten Moment etwas rauer zu schein scheint, dafür dominieren hier aber auch absolut unangefochten Holz und Honig. Letztlich gefällt mir das hier aber besser - denn genau das ist für mich Walong. Daher ist dieser Walong für mich auch der beste den ich bislang hatte: die Pfirsich-Note der TTpl-Version ist schön, die ZSL-Version ist etwas zu klebrig und die 2020er Version von TE ist etwas ätherisch - bei diesem Tee von Yu stammt alles, lediglich Qi könnte er etwas mehr vertragen, aber basierend auf den bisherigen Erfahrungen wird bei Yu wohl eher keine Qi-Keule zu finden sein 😉

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Und schon wieder ich, dieses mal kein Pu: 2020 Rueili Winter Ali Shan von TTpl

Ein Oolong vom Alishan - der Ort Rueili sagt mir zwar nichts, aber da von dort auch kein Puerh kommt ist das wenig verwunderlich. Das trockene Blatt hat jedenfalls ein sehr intensives, florales Aroma - sogar so intensiv, dass die "Teerutsche" noch nach dem Tee riecht, obwohl sich die Blätter schon längst in der hübschen Kyusu von Jan Pavek befinden (die viel zu selten abgelichtet wird). Obwohl intensiv ist die Blumigkeit jedoch nicht unangenehm, denn sie hat etwas angenehm grasig frisches und wird durch leichte Anklänge von süßem Gebäck ausgeglichen. Durchaus ordentlicher Tee - es handelt sich hierbei um die Winterernte, daher eine Frage an die Oolong-Trinker: wie ist das mit der Winterernte bei Oolongs? Ist diese ebenfalls markant anders als die Frühjahrsernte bei Pu'erh?

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@doumer Schön, so regelmäßig von dir zu hören, während man sich selbst Liter für Liter durch erbärmliche Kräuteraufgüsse quält und darauf wartet, dass die Erkältung vergeht. (Ich verbitte mir jegliches Gemunkel über eventuelle Zusammenhänge mit dem kürzlichen Genuss meiner ganz und gar exquisiten Hong Kong Gammeltees!)

Was die Oolong-Winterernte betrifft, so gilt diese meines Wissens nach neben den ersten Frühlingsernten als kostbarste Pflückung im Jahr. Grund ist wohl vor allem das langsame Wachstum, welches dem Blattgut besondere geschmackliche Qualitäten verleiht. Ich habe noch keine gezielten Vergleiche zwischen verschiedenen Pflückungen der selben Gärten gemacht und kann daher wenig dazu sagen, wie sich die Unterschiede konkret bemerkbar machen. Auf jeden Fall hatte ich aber schon die ein oder andere sehr leckere Winterpflückung.

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@Shibo: Gute Besserung. Auch wenn ich in solchen Fällen statt von Tee eher von Unkrautaufgüssen spreche - aber da sind insbesondere Lindenblüten ein wohltuendes Geschenk der Natur. Dieser Absatz

vor 14 Stunden schrieb Shibo:

Was die Oolong-Winterernte betrifft, so gilt diese meines Wissens nach neben den ersten Frühlingsernten als kostbarste Pflückung im Jahr. Grund ist wohl vor allem das langsame Wachstum, welches dem Blattgut besondere geschmackliche Qualitäten verleiht. Ich habe noch keine gezielten Vergleiche zwischen verschiedenen Pflückungen der selben Gärten gemacht und kann daher wenig dazu sagen, wie sich die Unterschiede konkret bemerkbar machen. Auf jeden Fall hatte ich aber schon die ein oder andere sehr leckere Winterpflückung.

deckt sich sowohl in theoretischer wie auch praktischer Hinsicht mit meinen Erfahrungen. Nun sind Oolong in der Tasse bei mir die Ausnahme von der (Grüntee-)Regel, die persönliche Datenbasis (das 'Tee-Gedächtnis') diesen Typus betreffend mithin nicht allzu groß. Und bevor ich mir diese spezielle empirische Erfahrung durch Kauf zweier in unterschiedlicher Jahreszeit, jedoch demselben Garten gelesenen (und vermutlich von derselben Person verarbeiteten) Oolongs leiste, dann doch lieber zwei sehr unterschiedliche Typen. Allein in Fujian und Guandong gibt es so vieles zu entdecken, dass mich der praktische Einstieg in solche Details nicht übermäßig reizt. Ist, wie gesagt, Folge meines relativ geringen Oolong-Konsums. Theoretisch interessant ist die Frage auf jeden Fall.

Als Anmerkung noch: für den Bai Hao (besser bekannt als Dongfang Meiren oder 'Oriental Beauty') aus Xinzhu oder Pinglin braucht man nach Frühpflückungen gar nicht zu suchen - da ist der durch Insektenbefall verursachte Gehalt an Phytoalexinen ein entscheidendes Qualitätskriterium. Da das Zeit braucht, wird erst Juni / Juli gepflückt.

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P.S.: ontopic - jetzt gleich ein Dongting Shan Bi Luo Chun, diesjährige Mingqian - Pflückung von Lepinlecha (Vertrieb DTH).

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Am 13.10.2021 um 12:14 schrieb GoldenTurtle:

Das war auch witzig und spannend aus deinem neuerlichen Beitrag - dies auch als Nachtrag @doumer zur neuerlichen Diskussion rund um das Thema Bewertungen; ich finde es ja gut, wenn jeder seine eigene Meinung und seinen eigenen Geschmack hat ... einerseits zeigt mir das aber auch, dass Bewertungen meistens hochgradig mit dem eigenen Geschmack des Bewerters zusammenhängen und auf diese Weise für andere eigentlich eine Zielverfehlung darstellen - diverse Eigenschaften sollten ja dennoch nachvollziehbar artikulierbar sein, diese wiederum könnte man mit genügend Erfahrung auch bewerten, aber eben nicht, wie gut diese oder jene Eigenschaft einem selbst schmeckt, sondern wie die Qualität dieser Eigenschaft im Vergleich ist - den eigenen Geschmack von der Bewertung subtrahieren zu können und nur die Qualität an sich zu berurteilen, d.h. also Qualität erkennen zu können, auch wenn sie nicht oder nicht genau den eigenen Geschmack trifft - das ist die grosse Kunst in der Verkostung und Bewertung im Gourmetbereich.

Das letzte Mal war ich zu müde zum Antworten, deshalb reiche ich nach: Die Subjektivität in Reviews hielt ich für einen Allgemeinplatz. Allerdings habe ich in den letzten Jahren viel dazu im Bereich der Medienbewertung, Medienkritik und Ähnlichem gelesen und gehört. Im Medienbereich gibt es genügen Versuche zu einer objektiven Wertung zu kommen. Metascore oder Kategorien mit Punktesystem. Der Wein- oder Whiskeybereich sind sicherlich besser zum Vergleich geeignet als die Medienbranche, aber darin stecke ich nicht tief genug drin. Man ist immer gut beraten die Subjektivität im Hinterkopf zu behalten. Wenn Kritiker X die Charaktere im neuen Roman Y als viel zu seicht beschreibt, kann ich den Roman trotzdem bedenkenlos kaufen, weil ich weiß, dass ich in diesem Punkt mit dem Kritiker noch nie konform ging. 

Im Teebereich sind wir meines Erachtens nach selbst ein gutes Stück von scheinbar objektiven Bewertungen entfernt. Bsp.: gibt es den Geschmack mineralisch überhaupt?, Verstehen Westeuropäer Qi ebenso wie Chinesen oder packen sie einfach in den Begriff was sie für Qi halten?, ein einheitliches und durchweg nachvollziehbares Vokabular verwenden wir ebenso nicht.
Der Kontakt zu anderen Teetrinkers ist da wichtig. Dadurch entsteht, zumindest in Teilen, eine Transparenz. Indem ich darüber spreche wie ich Tee erlebe, können andere meine Äußerungen besser einordnen können. Nachvollziehbares Artikulieren ist davon selbstverständlich ein wichtiger Teil, aber da brauch es ebenfalls mindestens ein Gegenüber und dessen Reaktion. Sonst weiß ich, ob ein Text nachvollziehbar ist oder nur von mir dafür gehalten wird.
Erfahrung einer Person sind wichtig. Definitiv verändert sich die persönliche Sichtweise auf Tee und das ganze drumherum, durch Erfahrung. Aber ohne geteilte Erfahrung, weiß man nie genau wo man steht. Außer natürlich, es reicht einem aus, zu protokollieren welche Gedanken man sich selbst gemacht hat. Dann ist man aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in einem Forum angemeldet :)

Eine Bewertung ist ohnehin schwierig zu bewerkstelligen oder unterkomplex. Klar, kann man sagen:" Ein guter Tee muss fruchtig sein", aber welche Frucht, wie intensiv, wie langhalten, usw.? 

Andererseits darf man nicht Fehler machen sich für ach so individuell oder Erfahrungen anderer als nicht nachvollziehbar zu betrachten. Bietet man Personen blind Tee zum Verkosten, so dürften sie sich schnell darauf einigen, welcher Tee schlecht, trinkbar, gut oder sehr gut ist. Zumindest dürften die Schnittmengen groß sein. Die Gemeinsamkeiten überwiegen die Differenzen. Aber es macht viel mehr Spaß die Differenzen bis ins letzte Detail zu erkunden :) 


Noch was Tontopic:

Gestern und heute etwas von pu-erh.sk's Chafang Pang San Zhou 2020. Im Gegensatz zum Lao Cha 2016, hat mich der Fladen mehr gepackt als es die Probe tat. Der Tee hat eine milde Frische ohne spritze zu sein. Obwohl jünger als der Lao Cha, ist er weniger bitter. Bei vielen Tees ist es für mich so, dass eine geringere Dosierung zu weniger Bitterkeit und deutlich hervortretenden Geschmacksnuancen führt. Dem ist hier nicht so. Bitterkeit und Frucht scheinen aneinander gebunden zu sein. Mehr Frucht bedeutet auch mehr Bitterkeit. Weniger Bitterkeit auch mehr Frucht. Mehr tut sich für mich nicht. Peter schreibt, es seinen zwei Ernten gemischt worden. Möglicherweise wurde der Tee einfach vom falschen Platz des Kuchen abgebrochen. Damit sind wir auch bei einem Wehrmutstropfen: Die "leichte Maschinenpressung" ist nach der äußeren Schicht nur noch nervig. Wieder ein Kuchen an den ich mit Gewalt dran muss. Wenn ich Gewalt sehen will, dann schaue ich mir John Wick an oder die Nachrichten. Der tropische Fruchtmix ist aber eine schöne Sache. Peter beschreibt den Tee komplexer, die beispielsweise Süße suche ich vergebens. Bin gespannt, ob da tiefer im Cake noch eine Überraschung wartet.

 

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@Getsome danke für deine Ausführungen! Ich sehe das auch so: eine wirklich objektive Bewertung kann (beim Tee) lediglich ein Massenspektrometer machen, durch dieses erhält man aber keine Informationen zu Qi etc. Dennoch helfen mir persönlich Kritiken/Bewertungen bei der Einschätzung eines Tees - auch wenn diese nicht absolut sind geben sie zumindest Orientierung, insbesondere wenn man den Schreiberling kennt (bzw. dessen Vorlieben - dein Beispiel mit den Charakteren in einem Roman trifft das sehr gut). 

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Zur Feier des Tages am späten Nachmittag (später, als ich es mir sonst im Interesse meiner Nachtruhe erlaube) ein Da Hong Pao, und zwar der 'Shizu' Jahrgang 1993 von @chenshi-chinatee. BTW - für einen Hinweis, wofür hier das 'Shizu' steht, wäre ich dankbar. Der angeblich nach Kirschblüten duftende japanische Kultivar ist es wohl eher nicht ... Jedenfalls kein Neuling hier in dieser Runde, @Getsome hatte ihn hier schon einmal vorgestellt.

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Ich habe ihn nicht allzu zaghaft dosiert (7,5 gr / 125 ml) und mit 90° C aufgegossen. Er ist selbst für einen Da Hong Pao ziemlich kräftig oxidiert (das nasse Blatt zeigt ein tiefes, dunkles Schwarzbraun), was wohl auch zu seiner Haltbarkeit beigetragen hat. Rauch ist sehr dezent im Hintergrund - falls er je nachgeröstet wurde, dann ist das schon ein Weilchen her; der Tee ist tadellos 'ausgelüftet'. Das Aroma ist sehr grundtönig (was bei dem Alter nicht überrascht) aber typisch und unverkennbar DHP. Von 'Mineralität' zu sprechen, wäre tief gestapelt, das würde eine gewisse 'Magerkeit' suggerieren; der Haupteindruck ist vielmehr erdig und voll, etwa ab dem 5. Aufguss entwickelte sich ergänzend noch eine torfige Note, die im ersten Eindruck leicht moderig daherkam. Eleganz und Subtilität sind nicht seine Stärken - aber gelegentlich verzichte ich ganz gerne darauf.

Fruchtige Anklänge sind etwas vage, sie gehen in Richtung dunkle Trockenfrüchte - die zugehörige Süße ist nur leicht angedeutet. Dazu ein wenig Kakao, aber ohne bittere Noten. Der 5. Aufguss (ich gab ihm 10) war dann auch der Wendepunkt, ab dem die Farbe und die geschmackliche Intensität allmählich verblassten. Was anhielt, war das weiche, samtige Mundgefühl, das dann mit dem Aufguss Nr. 8 in eine milde, aber spürbare Adstringenz überging, die wiederum reichlich den Speichelfluss anregte. Da kommt dann auch eine bislang überdeckte 'hellere' Note ins Spiel, die ich bei jungem Da Hong Pao sehr schätze und mit Mandarine assoziiere. Leider fast nur eine Ahnung - und im nächsten Aufguss ist der Spass dann auch schon vorbei. Aber bei einem gesetzten, älteren DHP sollte man solche Frivolitäten eigentlich auch gar nicht erwarten. Nüsse oder Asche (wie @Getsome) habe ich hier nicht assoziiert.

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Der 2. Aufguss ...

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... und der neunte zum Vergleich. Wie schon geschrieben, entwickeln sich Farbe und Geschmacksintensität in etwa parallel. Wobei ich den neunten nun keineswegs leicht oder gar 'dünn' nennen würde ... Man muss diesem Tee nicht unbedingt 10 Aufgüsse zumuten - die Beschriftung der Packung schlägt acht vor, und die absolviert er tadellos.

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Bearbeitet von SoGen
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vor einer Stunde schrieb SoGen:

BTW - für einen Hinweis, wofür hier das 'Shizu' steht, wäre ich dankbar.

das ist eigentlich nur ein Attribut 十足 was für soviel wie "voll", "pur" oder "gradezu" bedeutet. Eigentlich für sich nichtssagend. Nur Merkmal, was ich beibehalten habe um ihn von anderen aged DHPs zu unterscheiden - da gibt teilweise doch massive Unterschiede...

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Das Hübsche am Teetalk sind die Leute, die man kennenlernt - bei offiziellen/inoffiziellen Teetreffen . Das führt zu Briefwechseln (für die jungen Leute: das ist eine alte Kunst der Kommunikation vor e-mail, das genau zu erklären würde zu lang dauern) und Teeproben die man rumschickt und erhält.

Ich habe heute eine solche verkostet: Ao Ne Me 2021 von farmerleaf. Um genau zu sein, wird er von farmerleaf vertrieben, aber gemacht hat ihn ein Herr namens Wang Qing Cong.

Der Tee ist in den ersten Aufgüssen sehr grün, wird aber dann ordentlich kräftig. ob man das nun Qi nennen kann weiß ich nicht aber es wäre eine gute Frage für eine gemeinsame Teeverkostung.  Der Spender dieser Probe hat die außerordentlich hübsche Formulierung gewählt: "Der schöne Ao Ne Me, der ein wenig den Gushu für den kleinen Mann gibt."

Auf jeden Fall ein sehr schöner idealer Reisetee!

https://www.farmer-leaf.com/collections/yunnan-pu-erh-tea/products/ao-ne-me

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