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Teetraditionen und verschiedenen Tee-Wege


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Ich habe hier im Forum schon oft gelesen, dass manche  - vor allem Anfänger - alles rund um Tee "richtig" machen wollen, auch was das Teegeschirr und den Ablauf einer "Tee-Session" angeht. Ich bin nicht so der Typ, der alles richtig machen will, deshalb musste ich eine  Weile nachdenken, was damit gemeint ist, unabhängig davon, mit welcher Temperatur der Tee aufgebrüht werden soll, wie lange er ziehen darf/muss etc., und warum es so wichtig für manche ist, dass alles rundum stimmig  und "richtig" ist.

Dann ist mir eingefallen, dass es zwei große Tee-Traditionen und Tee-Wege gibt, nämlich den japanischen und den chinesischen (ja, ich weiß, es gibt auch andere Traditionen, aber diese beiden Tee-Wege sind m.E. die ältesten und am weitesten verbreitet). Diese Tee-Wege unterscheiden sich ziemlich grundlegend. Vereinfacht gesagt ist bei der japanischen Teezeremonie und Tradition jeder Handgriff, jede Bewegung, jede Kleinigkeit von großer Bedeutung und muss sorgsam beachtet und eingeübt werden. Der chinesische Tee-Weg hingegen hat auch seine Besonderheiten (Gung Fu z.B.) und besonderes Teeegschirr, aber keine ausgefeilte Zeremonie. Teetrinken ist Genuß, und dafür benutzt man ein bestimmtes Teegeschirr, weil es den Genuß erhöht. Wahrscheinlich würde auch kein Chinese, der Tee liebt, jemals auf die Idee kommen, hochwertigen grünen Tee aus einem Kaffeebecher zu trinken. Aber m.E. sind chinesische Teeliebhaber weit davon entfernt, aus dem Teetrinken so ein ausgefeiltes und ungemein wichtiges Zeremoniell zu machen wie in Japan.

Da wir in Europa von beidem wenig beeinflusst waren/sind, seit man hier Tee trinkt, gibt es hier noch einen dritten Tee-Weg: eigene Teegewohnheiten und Tee-Traditiionen zu entwickeln, wie es jeweils zu einem passt. Beispiel England, Ostfriesland, oder ganz individualistische Teewege, die gerade angesagt sind oder zu einem selbst passen.

Das bringt mich zu meiner Frage an euch: von welcher Teetraditon, von welchem Tee-Weg seht ihr euch am meisten beeinflusst, welchem Weg folgt ihr oder habt ihr eine eigene Teetradition für euch entwickelt, die zu euch passt und mit der ihr euch wohl fühlt? Ist es für euch, aus der Tradition heraus, die euch beeinflusst hat, wichtig, dass alles "richtig" ist, stimmig, und dass auch das ganze Ambiente passt, oder trinkt ihr auch mal auf die Schnelle Tee aus einem schnöden großen Porzellanbecher?

Ich finde das alles sehr spannend und interessant, deshalb freue ich mich, wenn ihr antworten mögt.

Bearbeitet von shoshin-sha
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Es ist noch etwas komplizierter. 

Es gibt in China erst seit neuem, mit der wiederentdeckten Wichtigkeit von Tradition für das Nationalbewusstsein einen "chinesischen" Weg, Tee zu trinken. 

Eigentlich gibt es nur verschiedene regionale Zubereitungsarten, die sich nach den lokalen Teesorten richten. Diese sind jetzt zusammengewürfelt und ergeben das Gong Fu Cha, was es jetzt angeblich seit tausenden Jahren gibt.

Was es historisch gab, ist die Art, wie am Kaiserhof Tee getrunken wurde. Diese, mit den Dynastien und teils sogar mit einzelnen Kaisern wechselnde Zubereitungsarten bieten jetzt die Basis für die moderne Teezeremonie, die ästhetische Elemente aus der Song, Ming und Qing Dynastie, sowie regionale Aspekte enthält. 

Um das ganze weiter zu verkomplizieren: Das japanische Chado, also die Teezeremonie mit Matcha ist eigentlich die chinesische Teezeremonie aus der Song Dynastie. Die Zubereitung von pulverisiertem Grüntee mit einem Bambusbesen in einer Schale ist im Zuge des kulturellen Austausches nach Japan importiert worden.

Durch den folgenden Herrscherwechsel zum Tokugawa Shogunat und der damit einhergehenden Selbstisolation Japans wurde die Zubereitung in den folgenden 600 Jahren inhaltlich nicht (wie in China) verändert, sondern nur bis ins letzte verfeinert und einem neuen ästhetischen Ideal angepasst.

Ähnlich ist das mit der europäischen Teekultur, diese war zu Beginn eine Kopie Chinas. Komplett mit kleinen Yixing Kannen etc. Über die Zeit hat sich die Teekultur an die kulinarischen Eigenheiten hierzulande angepasst. 

Lange Rede kurzer Sinn: Es gibt keine "richtige" Art Tee zu trinken,  die über die jeweils zum Tee passenden Aufgussparameter hinaus geht. Tee trinken soll Spaß machen. Das kann in einer meditativen Zeremonie oder in geselliger Runde sein.

Es sei denn du möchtest eine der feststehenden Traditionen lernen. Dann musst du dich natürlich an den entsprechenden Ablauf halten. 

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Danke für deine sachkundigen Erläuterungen! Ich kenne nur die Tee-Traditionen in China und Japan in unserer Zeit, von einer chinesischen Kollegin und mehreren japanophilen KollegInnen, die öfters in Japan waren/sind. Wir haben uns schon oft darüber unterhalten, auch lange über Teegewohnheiten etc. 

Wovon bist du denn selbst am meisten beeinflusst? Wie sieht dein eigener Teeweg aus, was ist dir daran wichtig?

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 Ich würde sagen, mein Teeweg ist eine freihe Interpretation der taiwanischen Teekultur. Mit mehr Einfluss aus Japan denn aus China. 

Sowohl was die Teesorten als auch die Auswahl an Teeutensilien angeht.

Ich trinke meistens allein für mich, so gestalte ich auch meinen Teetisch.

Rein ästhetisch finde ich historisch die Teeräume aus der Mingdynastie am ansprechendsten, die zeitgenössische Weiterentwicklung der japanischen Teeräume finde ich auch sehr interessant.

Zu der Tradition in China noch ein Wort, hier vermischen sich in der Moderne zwei sehr unterschiedliche Konzepte von Staaten. Die Idee eines Volkes, welche einen Herrschaftswechsel überdauert gab es im historischen China nicht. 

Die Dynastien hatten das Mandat des Himmels. Wenn eine Dynastie endet ,dieses Mandat also aus irgendeinem Grund verwirkt ist und die Herrer somit die Gunst der Götter verloren haben, endet der Staat, das Volk und alles dazu gehörige. Die Uhren bzw. der Kalender wird wortwörtlich zurück gestellt und eine neue Zeitrechnung beginnt bei 0.

Eine Kontinuität der Staatsangehörigkeit über den Wechsel des Kaiserhauses war nicht vorstellbar. 

Das ganze wird erst in der modernen Rückschau als kontinuierliche Entwicklung eines einzigen Volkes gesehen.

Das ist quasi das Gegenteil der deutschen Staatsentwicklung, in der die Idee eines verbindenden "Deutschtums" über die Zeit der Kleinstaaten und Napoleon hinweg bis zur 1848er Revolution und der späteren Reichsgründung getragen hat.

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vor 43 Minuten schrieb JanS:

 Zu der Tradition in China noch ein Wort, hier vermischen sich in der Moderne zwei sehr unterschiedliche Konzepte von Staaten. Die Idee eines Volkes, welche einen Herrschaftswechsel überdauert gab es im historischen China nicht. 

Die Dynastien hatten das Mandat des Himmels. Wenn eine Dynastie endet ,dieses Mandat also aus irgendeinem Grund verwirkt ist und die Herrer somit die Gunst der Götter verloren haben, endet der Staat, das Volk und alles dazu gehörige. Die Uhren bzw. der Kalender wird wortwörtlich zurück gestellt und eine neue Zeitrechnung beginnt bei 0.

Eine Kontinuität der Staatsangehörigkeit über den Wechsel des Kaiserhauses war nicht vorstellbar. 

Das ganze wird erst in der modernen Rückschau als kontinuierliche Entwicklung eines einzigen Volkes gesehen.

Das ist quasi das Gegenteil der deutschen Staatsentwicklung, in der die Idee eines verbindenden "Deutschtums" über die Zeit der Kleinstaaten und Napoleon hinweg bis zur 1848er Revolution und der späteren Reichsgründung getragen hat.

Das ist sehr interessant, nur verstehe ich nicht ganz, was es mit Tee und den verschiedenen Teezeremonien bzw. Tee-Wegen zu tun hat? 

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Das war eine weitere Erläuterung zu der Aussage, dass es keine traditionelle einheitliche chinesische Teekultur gibt. 

Und eine Anregung, vielleicht im Zuge der weiteren Beschäftigung mit Tee die einzelnen Bestandteile/Traditionen getrennt zu betrachten, ob es hier Dinge gibt, welche dir gefallen und nur diese zu übernehmen. 

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Ok, ich wollte keine tiefergehenden  kulturgeschichtlichen Aspekte schildern oder wissenschaftlich belegbare Aussagen treffen, sondern habe nur meine Sicht der Dinge dargelegt und erklärt, warum ich nach EUREN persönlichen Teewegen und Teetraditionen frage.

Soweit ich weiß,  sind wir hier nicht in einem wissenschaftlichen Kulturgeschichte-Seminar in der Uni. 😉 ( Nicht böse gemeint. )

Was ich getrennt betrachten soll und warum, erschließt sich mir auch nicht. Aber egal. Ich glaube, meine Fragestellung ist klar und verständlich, und wem  meine Kenntnisse der Geschichte Chinas und Japans dafür nicht reichen, sorry, das ist halt mal so. Eine meiner  zahlreichen durchaus großen Bildungslücken . 😀 

 

 

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Vielen Dank @JanSfür diese tiefergehenden Informationen, ich finde sowas sehr interessant und wertvoll.

Bei mir ist es meist abhängig von Ort und Zeit, wann ich Tee trinke. In Gesellschaft geht es meist mehr darum guten Tee auszuschenken und schöne Gespräche zu haben. Bei einer Session mit meinem Bruder liegt der Fokus meist beim Brühen und Diskutieren der Metriken und Nuancen der Tees. Trinke ich alleine versuche ich mittlerweile die Handgriffe zu verbessern, Ruhe in den Alltag zu bringen und mich nicht zu sehr von anderen Dingen ablenken zu lassen. Da wird das Geschirr in Abhängigkeit zum Tee und der Laune gewählt. Mittlerweile habe ich keine Uhr mehr laufen, d.h. ich lasse mich etwas mehr überraschen und brühe nach Gefühl, ohne auf Sekunden und Nuancen zu achten.

Und wenn's mal was anderes geben darf, werden ein paar Gramm Kräuter ins Sieb der Tasse geworfen, 10 Minuten gewartet und dann der abgekühlte Aufguss getrunken :D

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Ich greife nahezu täglich zu japanischem Tee. Morgens ein Kabusecha oder Gyokuro, abends ein Hojicha. Darauf abgestimmtes Geschirr (Kyusu, Shiboridashi, Yuzamashi, konische Teeschale) ist von Nutzen, um ein schmackhaftes Getränk zuzubereiten. Schön ist es auch.

Mit der japanischen Teezeremonie hat die getriebene Eile, mit der ich mir morgens zwei bis drei Aufgüsse zubereite, bevor die Kleinkinder rufen, aber nichts zu tun. Immerhin verwende auch ich weder Timer noch Thermometer, sondern verlasse mich auf Gefühl, Erfahrung und Beobachtung.

Bearbeitet von Golden Hill
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@JannisIn Gesellschaft mache ich sogar zeremonieller Tee als alleine, viele der Bestandteile sind ja Ausdruck einer guten Gastgeberschaft sind.

Sonst ist natürlich viel auch abhängig von der eigenen Präferenz. 

Da ich bevorzugt trocken aufgieße, brauche ich kein Teeboot oder Teetisch, so beeindruckend ich den von @DavidLauch finde. 

Dafür nehme ich ein Chabu und je nach Laune einen verschiedenen kleinen Teller.

Da ich meinen Tee ein bisschen abgekühlt trinke, nehme ich auch allein für mich einen Chahei. Aus ästhetischen Gründen habe ich auch eine kleine Vase auf dem Tisch.

Damit, plus der Positionierung von Restwasserschale und Tetsubin bin ich schon recht nah an einem klassischen Chaxi Arrangement.

Aber ohne das Brimborium, dass darum manchmal gemacht wird. Ich wechsle die Deko auch nur mit den Jahreszeiten und nicht für jeden Tee.

Jedem dass seine, aber dieses Spiel mit der Deko finde ich etwas affektiert.

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