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Gongfu Cha vs. "Westliche Methode" vs. Europäische Teekultur(en)


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Liebe Grüße an alle Teekenner!

Dieses Thema brennt mir schon lange auf der Zunge, denn heute ist es besonders populär Gongfu Cha, die traditionell chinesische Teezubereitungsmethode und die sogenannte "westliche Methode" gegeneinander zu stellen und zu vergleichen, wobei wir fast immer die Aussage "Gongfu Cha ist 'besser!" zu hören bekommen. Unser @miig hat mal ein Thema gepostet wo er nach der Definition von Gongfu Cha fragte, nun, ich bevorzuge da eine rein technische Herangehensweise. Das Wort gongfu wird je nach Quelle und Translator mit "Anstrengung", "Mühe", "Fertigkeit" und "Kunst" übersetzt, wenn man aber einfach den Vorgang selbst anschaut sowie die dahinter stehenden Ziele, ist Gongfu Cha praktisch dasselbe was wir in Europa mit Wein, Whisky und Zigarren machen! Man kann all diese Sachen nur des Alkohols wegen einfach herunterstürzen und die Zigarren nur des Nikotins wegen verqualmen, die Kenner tun das jedoch nie - man verwendet spezielle Geschirr, Werkzeuge und Konsummethoden um den Genuss soweit zu maximieren wie es nur geht. In Zigarren-, Wein- und Whiskyclubs geht es primär um Genuss, Erkenntnis und das soziale Beiwerk, nicht stupides saufen und quarzen. Die Genussmittel sind der Star der Show, kein Kenner wird seinen besten Single Malt mit Eiswürfeln malträtieren oder die feinste Zigarre brutal im Aschebecher ausdrücken, exakt diesselbe Mentalität haben die Chinesen auch wenn die eine Gongfu Cha Session machen.

Wenn aber nun von "westlicher Methode" gesprochen wird, werden darunter fast immer moderne Teegewohnheiten der breiten Bevölkerung in Europa und Nordamerika gemeint, wobei auch fast immer  angenommen wird dass eben diese die "europäische Teekultur" darstellen. Diese Sicht halte ich für falsch!

Ich habe mich in letzter Zeit mit Geschichte des Tees in Europa auseinander gesetzt, schriftliche Quellen und Abbildungen aus dem 17 bis 19 Jh., aus der Zeit wo weder Indien noch Sri Lanka als Teeproduzenten eine Rolle spielten (hier, hier hier nur um Einige zu nennen), nur um Folgendes festzustellen. Bis ungefähr 1820 war der gesamte verfügbare Tee ausschließlich chinesischen Ursprungs und er war nicht nur "Tee" sondern Bohea, Hysson, Singlo, Souchong, Congou, Pekoe, etc., wobei das was wir heute "Schwarztee" nennen um die Mitte des 18 Jh. den größten Anteil am europäischen Teeimport erlangte. Bis dahin war Grüntee tatsächlich die am meisten konsumierte Teeart in Europa (quelle). Das Teegeschirr, wie die Abbbildungen und Beschreibungen vom Teetrinken zeigen, wurde ebenfalls teils aus China importiert teils nachgeahmt, Abbildungen von Teetrinkern zeigen wenig bis gar keine Lebensmittel auf dem Teetisch, der chinesische Einfluss hier ist kaum zu übersehen. Einfach zusammengefasst, die europäische Teewelt des 18 Jh., wo britische, ostfriesische und russische Teekulturen in ihren Grundzügen gebildet wurden, war eine nahezu komplett andere Welt, die viel näher an China war an unsere heutgen westlichen Teegewohnheiten!

Warum hat sich die europäische Teewelt so radikal verändert? Nun, zuerst haben die Teeplantagen in Assam den Teemarkt komplett umgekrempelt, bereits am Ende des 19 Jh. war indischer Schwarztee bereits so billig und so verbreitet, dass er andere Teesorten vom Markt nach und nach verdränge. Es war trotzdem noch klassischer Blattee welcher die klassische Zubereitung zuließ. Als aber in den 1930ern die CTC-Methode erfunden und perfektionert wurde, eroberte der nach CTC hergestellte Assam Schwarztee ab den 1950ern die gesamte Welt! Die Gründe dafür waren und sind; er extrahiert viel schneller, ist als Staub perfekt für Teebeutel, kann in rauhen Mengen produziert weren und ist schön billig. Die wohl tiefste Zäsur ist jedoch sein Geschmack und Aufgussverhalten, welche sich von den klassischen chinesischen Oolong, Heicha und Hongcha fundamental unterscheiden! So passierte es dass die alten Aufguss- und Konsummethoden nach und nach aufgegeben und vergessen wurden, denn die Teekannen, Samoware und Stövchen hatten einfach keine Funktion mehr. CTC Assam braucht keine hohe Dauerhitze im Gegensatz zu o.g. chinesischen Tees, er brüht nur einmal auf, man kann ihn einfach im Gefäß behalten ohne dass es zu bitter wird und sein rauher intensiver Geschmack lässt sich wunderbar mit Milch, Zucker und allerlei Gebäck und Kuchen ergänzen.

Man kann also sagen dass unsere moderne "westliche Teekultur" an sich ziemlich jung ist und fast komplett auf CTC Assam ausgerichtet ist. Sie lässt sich mit traditionellen europäischen Teekulturen kaum bis gar nicht vergleichen - anderer Tee mit komplett anderen Eigenschaften, andere Zubereitungsweise (Teebeutel, Teeeier, tea brewer, etc.) und eine völlig andere gesellschaftliche Stellung des Teetrinkens. CTC Assam wird heute von der Masse der Konsumenten als "der Tee" schlechthin verstanden und wird als Beiwerk zu Süßigkeiten, Gebäck und Kuchen gesehen und nicht als etwas Eigenständiges, deswegen kann man ihn mit chinesischen Tees nicht vergleichen. Er ist weder "besser" noch "schlechter" sondern ANDERS! CTC Assam tut das wofür er gezüchtet und hergestellt wurde, und das ist nun mal nicht die Gongfu Cha.

Was ich hier vermitteln will ist, die gegenwärtige Welle von Interesse am chinesischen Tee und chinesischer Teekultur hat bereits einmal vor mehr als 300 Jahren stattgefunden! Das Resultat dieser Begegnung war die Formation der britischen, ostfriesischen und russischen Teekulturen, China war das einzige Vorbild. Die moderne "westliche CTC Assam - basierte Methode" hat mit all diesen historischen und modernen Vorlagen nahezu nichts gemeinsam. Von daher ist das ganze Gongfu Cha VS Westliche Methode eigentlich sinnfrei, denn hier werden förmlich Äpfel mit Kartoffeln verglichen! Die moderne westliche Teekultur ist weder "traditionell" noch "europäisch".

Was ich übrigens faszinierend finde ist, je mehr man sich mit der chinesischen Teekultur beschäftigt, desto mehr entdeckt man über die eigene fast vergessene Teekultur, wie sie einmal bei den Briten, Russen und Deutschen herrschte.

Das was wir als Teefans heute tun, dürfe vor 200 bis 300 Jahren durchaus zur Normalität gehört zu haben ;)

Lady_drinking_tea_-_Lavreince.jpg

Le_Th%C3%A9_-_Willem_van_Mieris_-_Mus%C3

Jan_Josef_Horemans_(II)_-_Tea_Time_-_18t

Grüße, OstHesse

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@nemo

Bild 1: Niclas Lafrensen, 2. Hälfte 18 Jh.

Bild 2: Willem van Mieris, spätes 17 Jh.

Bild 3: Jan Josef Horemans II, 2. Hälfte des 18 Jh.

Es sind auffällig viele niederländischen Maler die Bilder über Tee hinterließen. Dies könnte damit zu tun haben dass die Niederländer praktisch für die ersten 100 Jahre die eifrigsten Teeimporteure waren, noch vor den Briten.

Egbert van Heemskerck I. oder II., Niederlande, 17./18. Jh.:

Marktfrauen_trinken_Tee.jpg

A.R. de Gasc, 1761, Ekaterinburg

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ce/Female_portrait_by_A.R._de_Gasc_(1761%2C_Ekaterinburg)_anagoria.jpg

Bearbeitet von OstHesse
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Um mit dem Thema Gongfu Cha weiter zu machen... Fast alle europäischen Teebilder aus dem 17-18 Jh. haben ziemlich diesselben Utensilien auf dem Tisch!

  • Teekanne (Silber und Porzellan sicher identifizierbar, braunfarbige Teekannen könnten aus Ton oder Kupfer sein)
  • Behälter zur Aufbewahrung von Tee
  • große Schale, vermutlich zum Ausgießen der Teereste oder fürs überschüssige Wasser
  • Kandiszucker mit Zange
  • Teeschalen mit Untertasse (Beispiel)
  • Milchkanne (ich kenne aber kein Bild welches zeigt was eigentlich drin ist)

Es ist also grundsätzlich alles da was wir für eine Chaozhou Gongfu Cha - Session brauchen, Kanne, Teetablett (tellerartige "Teeboote" sind heute noch verbreitet), wenn wir einfach Milch und Kandiszucker wegtun, das dazugehörige Geschirr aber behalten, haben wir einen Cha Hai und die Zange noch dazu ;) Und ja, die Niederländer mit ihren Tee- und Teegeschirrexporten haben die Ostfriesische Teekultur entscheidend geprägt, deswegen ist alles oben Aufgezählte auch 1 zu 1 Bestandteil des ostfresischen Teetrinkens (außer der großen Schale, die ist heute weg, warum auch immer).

Ich behaupte mal frech, schon mal aufgrund der verfügbaren Quellen, dass das ostfriesische Teetrinken ein echtes Relikt aus dem 18 Jh. zu sein scheint, so macht es auch Sinn warum diese Teekultur zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt wurde. Eine Parallele wäre z.B. Chadō, welche vor fast 1000 Jahren von den Chinesen übernommen, bewahrt und weiterentwickelt wurde, in China selbst aber schon lange vergessen. Früher hat vielleicht ganz Europa so getrunken, wie oben beschrieben, heute tun's nur die Ostfriesen. Wenn wir aber weiter und weiter in die Vergangenheit blicken, wie Niederlanden des 17 Jh., das Quasi-Ursprungsland der europäischen Teekultur als Ganzes, sehen wir die chinesischen Einflüsse umso deutlicher.

Was aber die moderne "westliche" Teekultur angeht, HIER ist eine Quelle aus der Übergangszeit zwischen "traditionell" und "modern".

Ich möchte nochmal betonen, ob modern oder traditionell, nichts davon ist objektiv "besser".

Es kommt nur auf die Ziele und den Zweck an!

Grüße, OstHesse

Bearbeitet von OstHesse
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Auf dieser Stelle ist es noch vielleicht interessant ein paar zusätzliche Informationen zu bringen. 

 

Ich habe große Probleme mit der Gegenüberstellung von "westlicher Methode" und "Gongfu Cha". Wie definiert man diese Methoden? Das hängt von den üblichen Gebrauch. Un dhier kommen wir zum ersten Problem: wenn man es nur aus einen technischen Aspekt sieht, ist die "westliche Methode" eigentlich nur viel Wasser auf weniger Tee und nur einmal (oder zwei mal) aufgegossen. Man kann nochmal die Idee mit den Zusatz von Milch und Heutzutage noch irgendwelche aromatischen Zusatz. 

Gongfu Cha hingegen wird als "traditionelle" Methode Chinas dargestellt. Eine Methode die auf sehr viele Aufgüsse mit kurzen Ziehzeiten und kleinen Gefäßen basiert. 

 

Es gibt aber sehr viele Probleme mit dieser Darstellung der Sachen. Man merkt schon an den Bildern von nachmachenden Europäern die du verlinkt hast, die Gefäße sind ja gar nicht so klein. Dafür gibt es auch einen Grund. Die Gefäße in der Ming-Dynastie waren eigentlich enorm. Und daraus ergab sich auch der dementsprechende Teekonsum. Man muss nicht vergessen, dass bis zu Qing-Dnastie und der Erfindung von Oolongs im Wuyi-Gebirge, die chinesische Schikeria würde hauptsächlich nur grünen Tee trinken. Ein paar Schriften aus der Zeit helfen uns da ein bisschen weiter. Meistens erfolgte die Teezubereitung so: Tee rein, Wasser rein, Wasser sofort raus in das Geschirr, alles wider rein, ziehen lassen für eine gewisse Zeit, servieren. Es wurde empfohlen einen zweiten Aufguss zu machen aber es wurde vor dem dritten gewarnt, er wäre schwach. 

Die Größe der Kannen verkleinerte sich auch zum Teil von den enormen Gefäßen aber wir sprechen in der Qing-Dynastie immer noch über 200ml Dinger die dann als klein gelten. Kann man gut an den Bildern sehen. Auch das trinken aus den neu erfundenen Gaiwan verbreitete sich in der Ming Dynastie um Hangzhou herum. Noch Heute ist das dort die "traditionelle" Methode für Longjing: Blätter ins Glas und nippen. 

 

Also der Mythos von der traditionellen Gongfu Cha Methode ist erstmal nicht wahr. Aber was ist denn mit den puren Teegenuss und der Einstellung? Damit tue ich mich auch schwer. Natürlich gab es in der Song-Dynastie und auch in der Ming-Dynastie absolut begeisterte Tee-Conaisseurs die die an die Sache wie Zigarren oder Wein in Europa angegangen worden sind. Das Problem damit ist, wir reden hier von einen kleinen Teil der Bevölkerung die sich so ein Hobby leisten konnte: Bürokraten, Künstler und die gebildete höhere Schicht die eh nichts anderes zu tun hatte als irgendwelche Entschuldigungen zu finden um ins Wuyi-Gebirge zu fahren um da sich mit Tee zu füllen und an irgendwelchen gelegentlichen Partys teilzunehmen.

Die breite Bevölkerungsschicht hatte aber ein bisschen andere Angewohnheiten. Man weißt darüber gut bescheid da die Gebildeten immer sehr herablassend über diese Praktiken geschrieben haben. Sehr populär war Tee mit Früchten drin. Oder parfümiert mit getrockneten Früchten oder Blumen. Und das alles wenn man schweigt über die weite Gegenden wie Tibet oder sogar Sichuan wo man dann schon fermentierten (hei cha?) Tee mit Butter und anderen Zeug vermischt hat. 

Aber jetzt kommt die ultimative Barbarei: in der Qing-Dynastie war Tee mit Milch weit verbreitet. Sogar der Kaiser Kangxi trank Tee mit Milch! Keine Angst, er trank auch hochwertigen Grüntee aber man muss nicht vergessen es handelte sich um eine brandneue Manchu-Dynastie die großflächig ihre Kultur eingeführt hat. Auch den barbarischen Tee mit Milch. Natürlich bei den gebildeten Han-Chinesen blieb purer Tee das beste aber trotzdem!

 

 

Was ist den Gongfu Cha? Eine nicht so alte Teochew Tradition die sich lokal verbreitet hat. Und dann in den 70er von Taiwan mit Senchado vermischt. Der Virus der traditionellen Rückbesinnung hat dann Irgendwie es geschafft, dass Gongfu Cha zu "traditioneller" chinesischer Methode geworden ist in den Augen von vielen. 

 

Quellen für meine Aussagen: 

Mair, Victor H. und Erling Hoh. 2012. The True History of Tea. London: Thames and Hudson Ltd.

Benn, James A.. 2015. Tea in China: A Religious and Cultural History. Honolulu: University of Hawaii Press.

und primäre zeitgenössische Quellen die dadrin zu finden sind. 

Hier die Quelle für Gongfu Cha: http://www.marshaln.com/2016/03/a-foreign-infusion/  in der der Artikel verlinkt wird. 

 

Zusätzlich empfehle ich ein paar Videos. Es gibt ein Kreis von Sinologen in Venedig die Tee sehr toll finden und jedes Jahr ein Kolloquium über Tee veranstalten. Dabei ist interessant, dass sie aus der Perspektive von Tee-Trinkern in die Thematik reingehen was für uns ja wirklich etwas bringt. 

 

Der gesamte Kanal sind hauptsächlich Videos aus den Kolloquien. 

Ich habe mich in meinen Text natürlich auf den losen Tee fokussiert, es gibt aber auch andere Methoden in der chinesischen Geschichte.

 

Es ist nun so: Gongfu ist nicht unbedingt traditionell chinesisch, und "westlich" ist auch nicht unbedingt tatsächlich westlich. 

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  • Joaquin hat Thema empfohlen

The Strong Family von Charles Philips, 1732. Sehen wir da etwa ein wohlbekanntes Teetablett???

https://images.metmuseum.org/CRDImages/ep/original/DP164826.jpg

The Gascoigne Family von Francis Hayman, ca. 1740er

the-gascoigne-family-c1740-francis-hayma

Jonathan Tyers and His Family von Francis Hayman, 1740

Jonathan_Tyers_and_his_family_by_Francis

Bearbeitet von OstHesse
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Jetzt wirds aber richtig nerdy... :D

Wir haben hier bisher sechs Abbildungen gesehen (Mieris, Koets II., Verkolje, van Aken und zwei von Hayman ) die zwischen 1680ern und 1740ern zeitlich situiert sind und zwei Dinge zeigen; ziemlich kleine Trinkschalen und eine relativ kleine Teekanne von matter brauner Farbe und Design-features, die all jenen sehr bekannt vorkommen die sich mit der traditionellen Yixing-Keramik auseinandergesetzt haben. Diese Darstellungen wurden von fünf unterschiedlichen britischen und niederländischen Künstlern angefertigt und sind über einen Zeitraum von 60 Jahren verstreut.

Ich habe natürlich die europäischen Teekannen aus Kupfer recherchiert, das Ergebnis ist dass diese mehr oder weniger alle (die bis heute überdauert haben und auf Bildern immer noch zu erkennen sind) so aussahen wie van de Schlichten's Exempel (erste Hälfte 18 Jh.). Ich konnte keine 200-300ml kleinen europäischen Kuperkannen vom chinesischem Design finden.

Wenn man ihre Farbe und Oberflächentextur anschaut, im Gegensatz zum obigen Exempel, liegt die Annahme, es handelt sich um Ton, sehr nahe. Und da wie auch wissen dass die Chinesen Teegeschirr speziell für den europäischen Teemarkt herstellten (Ca Mau Schiffswrack), inklusive Teeschalen...

... jeder weiß doch worauf ich hinaus will! :ph34r: :)  Die ersten chinesischen Erwähnungen von besonders kleinen Kannen und Trinkschalen stammen aus dem 18 Jh (siehe Lawrence Zhang) und Thomas Short schreibt in seinem Werk (herausgegeben 1730) dass Pekoe und Congou beide fünf Aufgüsse vertragen ("will bear five Waters"), der Congou aber zeitnah abgegossen werden muss ("presently pour'd off") da er sonst zu stark extrahiert ("the whole Strength of the Tea will be drawn out at once" S.13). Die Aufguss-Zahl wird auch für Grüntee angegeben, Hysson z.B. verträgt ebenfalls fünf Durchgänge wobei explizit gesagt wird dass man bei diesem Tee weniger Blatt für diesselbe Wassermenge baucht als es bei anderen Tees der Fall ist (S.14).

Wir haben also nicht nur moderat große (Ton?)kannen die der klassischen Yixing-Keramik ähnlich sehen, sondern auch die mitunter sehr kleinen Trinkschalen (Hayman, Koets II., Verkolje) und den Bericht eines Gelehrten aus genau demselben Zeitraum, welcher sich kaum mit der Praxis eines simplen einmaligen 5-minütigen Aufgusses vereinbaren lässt.

Ich interpretiere die Belege mal vorsichtig: Es wurden vermutlich nicht nur Tee, sondern auch das Geschirr und die Zubereitungspraxis nach Europa exportiert, denn die konkrete Gegend wo die Europäer den Tee kauften (Fujian, Guangdong), ist auch die Geburtsstätte der Chaozhou Gongfu Cha. Die Mode dafür hielt in Europa offenbar nicht lange, denn ab der 2 Hälfte des 18 Jh. bildete sich mehr oder weniger das raus was wir heute von den Ostfriesen immer noch kennen, große Teekannen und Tassen + Zucker & Sahne dominierten nun komplett.

Grüße, OstHesse

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HIER ist ein modernes Beispiel einesTeehauses nach traditionellem Vorbild in Duyun (Guizhou)

Die große Wasserschale, die Form und Farbe der Trinkschalen, Wasserkocher, kein wasserauffangendes Tablett (!), der einzige Unterschied ist der Gaiwan anstatt einer Teekanne, aber ansonsten entspricht diese Teegeschirr-Anordnung so ziemlich dem was wir in Europa zwischen 1670 und 1820 auf vielen bzw. meisten Tee-Bildern sehen.

Trotz der Quellenlage existiert eine weit verbreitete Vorstellung, dass die "westliche Teekultur" sich deshalb so stark von "Gongfu" unterscheidet, weil Tee in Europa selten und teuer war!  Die Europäer waren eher bemüht aus wenig Tee alles rauszuholen was geht und kompensierten die fehlende Qualität & Quantität mit 1). einer einzigen langen Aufgusszeit, 2). Erzeugung von Mischungen und 3). Aromatisierungen. Als Paradebeispiele der "westlichen Teekultur" nennen gängige Artikel "English Breakfast" und "Earl Grey".

Ich persönlich halte diese Aussage für einen MYTHOS, vergleichbar mit ähnlichen Mythen wie "Menschen glaubten im Mittelater die Erde sei flach" und "Samuraischwerter schneiden Maschinengewehrrohre durch wie Butter". Die meisten Tees waren in der Tat  ziemlich teuer im Vergleich zu anderen Getränken während der ersten 150 Jahre der europäischen Teekultur, die erhaltenen bildlichen/schriftlichen Quellen zeugen da aber eher von einer Herangehensweise die mehr oder weniger der Chinesischen entsprach (siehe Thomas Short' "A Dissertation Upon Tea", 1730). Dies liegt höchstwahrscheinlich an den Eigenschaften des chinesischen Tees selbst; Grüntees/Hongcha/Heicha/Oolong brauchen einfach eine substantielle Mindestmenge um ihren Geschmack zu entfalten - ganz anders als CTC Assam, wo mehr Temperatur und längere Ziehzeit tatsächlich die sehr geringe Teemenge wunderbar ausgleichen können! Jeder kann selbst versuchen 1,75g von beliebigen Oolong zu Pulver zu mahlen, aufgießen und das Resultat mit einem 1,75g Assam-Teestaubbeutel zu vergleichen. Meiner Meinung nach werden hier eindeutig die Eigenschaften des CTC Assam auf die chinesischen Tees des 17-18 Jh. projiziert, ähnlich wie die ungewaschenen und verseuchten 18. und 19. Jahrhunderte und der Hexenwahn der Renaissance gern (aber völlig quellenwidrig) aufs Mittelalter übertragen werden. Mischen und Aromatisieren von Tee wurde zwar von Anfang an praktiziert, jedoch mit einem eher betrügerischen Zweck, "Earl Grey" und "English Breakfast" die oft als Inbegriff der "westlichen Teekultur" verstanden werden sind Produkte der 2. Hälfte des 19 Jh. und stammen aus der Zeit des kulturellen und wirtschaftlichen Aufbruchs der älteren Teetraditionen, verursacht durch den Siegeszug der presiwerten Tees aus Indien.

Ich bin dafür dass dieser lästige Mythos endlich mal aufgeklärt wird und für immer verschwindet.

Grüße, OstHesse

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  • 2 Wochen später...

Und noch zwei tolle Vorlesungen hinterher!...

https://www.youtube.com/watch?v=Zo7xsa-mKQU

https://www.youtube.com/watch?v=qVs-Olcv8s8

 

Europäische und chinesische Quellen scheinen da ziemlich einig zu sein, dass bis zum 16 Jh. in China selbst der Tee entweder gekocht oder als in Wasser gelöster Teepulver getrunken wurde. Es wird jedoch angemerkt dass sowohl Kochen als auch Pulvertee sowie das Aufgießen von losen Blättern schon immer praktiziert wurden, nur im unterschiedlichen Maße. Bis zum 16 Jh. waren Kochen und Pulvertee absolut dominant, ab dem frühen 16 Jh. vollzieht sich ein Wandel des Teegeschmacks, die ersten Yixing-Teekannen tauchen auf, und erst Mitte 17 Jh. hat das Teetrinken entgültig die Form angenommen wie wir sie heute noch kennen.

Soll heißen, wenn die Niederländer ab 1610 begonnen haben den Tee und das Teegeschirr aus China in wirtschaftlich relevanten Mengen zu importieren (erste europäischen Versuche eigene Teekannen in nennenswerten Mengen zu machen datieren 2. Hälfte 18 Jh., siehe Quelle im vorherigen Post), waren sowohl die Yixing-Kannen als auch die Art Tee in Gaiwan & Kanne zu brühen anstatt ihn zu kochen oder zu "pulverisieren" selbst für die Han-Chinesen und ihre Nachbarn/Minderheiten relativ neu! :trink_tee:Nur 150 Jahre früher angekommen, würden die Niederländer eine sehr viel andere Teezubereitungs-Kultur wiederfinden.

Im Lichte all dieser Quellen und der Tatsache dass die moderne chinesische Teekultur (so wie wir sie heute kennen) während ihrer 500-jährigen Entwicklung mindestens 400 Jahre lang einen wirtschaftlichen Einfluss aus Europa erfahren hat, erscheint mir jeglicher Kontrast zwischen "Ost" und "West" als ziemlich realitätsfern.

Grüße, OstHesse

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  • 2 Monate später...
  • 1 Monat später...

Das archäologisch ergrabene Tee-Inventar eines Kaffeehauses, welches zwischen 1740ern und 1770ern in London existiert hat!

https://www.cam.ac.uk/research/news/calfs-foot-jelly-and-a-tankard-of-ale-welcome-to-the-18th-century-starbucks-0

https://www.cam.ac.uk/research/features/a-tale-of-38-teapots-an-intimate-portrait-of-18th-century-sociability

https://www.theguardian.com/science/2017/dec/18/claphams-coffeehouse-cambridge-archaeologists-hundreds-items-unearthed

... und jep, wir werden gleich frontal von einer Yixing-Kanne angestarrt! :thumbup:

Nur ein weiterer Hinweis dass die europäische Teekultur des 18 Jh. sehr wenig bis nahezu gar nichts mit modernen Tee-Gewohnheiten der westlichen Bevölkerung des 20/21Jh. gehabt hatte.

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Naja, weil so schön war... ;)
https://comestepbackintime.wordpress.com/2011/08/17/afternoon-tea-with-mrs-beeton/

Zitat

 

In order to make good tea it is necessary that the water should be quite boiling, but it must on no account be water that has boiled for some time, or been previously boiled, cooled, and then re-boiled.  It is a good plan to empty the kettle and refill it with fresh cold water, and make the tea the moment it reaches boiling point.  Soft water makes the best tea, and boiling softens the water, but after it has boiled for some time it again becomes hard.  When water is very hard a tiny pinch of carbonate of soda may be put into the teapot with the tea, but it must be used very sparingly, otherwise it may impart a very unpleasant taste to the beverage.  Tea is better made in an earthen than a metal pot.  One good teaspoonful of tea will be found sufficient for two small cups, if made with boiling water and allowed to stand 3 to 4 minutes; longer than this it should never be allowed to stand.  The delicate flavour of the tea may be preserved, and injurious effects avoided by pouring the tea, after it has stood 3 or 4 minutes, into a clean teapot which has been previously heated.

QUELLE: Mrs Beeton’s Book of Household Management. Ward, Lock & Co., Limited. 1915.

 

Es gab eine ganze Auflagenserie des Originalwerkes, der Originaltext wurde immer erweitert so dass am Ende "Mrs. Beeton" zu einer Art Eigenbezeichnung wurde, ähnlich dem Herrn "Knigge". Was uns die 1915-er Auflage aber vermittelt ist wie Tee im frühen 20 Jh. gemacht wurde bzw. was die Menschen als guten Tee erachtet haben. Man nehme weiches Wasser, bringe es zum Kochen und verwende es umgehend, langes Kochen macht Wasser hart und es ist besser neues frisches Wasser audzufüllen anstatt altes schon gekochtes zu nehmen. Ein voller Teelöffel Tee (3-4 Gramm laut eigenen Messungen) reicht für zwei kleine Teeteassen (historische Teetassen der kleineren Sorte sind so um 100-120 ml effektive Füllhöhe, hab recherchiert!), was ein Tee-Wasser-Verhältnis im Schnitt von 1g Tee auf 64 ml oder 1,6g pro 100ml ergibt.

Wenn wir aber nur knapp 30 Jahre in die Zukunft reisen, haben wir folgendes Bild:

https://www.youtube.com/watch?v=vnvYymrCn4g

https://www.youtube.com/watch?v=y2nXLA8gmmo

Es wird CTC Schwarztee verwendet, 10 Minuten lang ziehen gelassen, aber viele der Tipps und das Geschirr sind immer noch weitgehend diesselben wie bei Mrs. Beeton.

1960er: Da fängt's nämlich an... https://www.youtube.com/watch?v=rgqL3dKAYjQ

Es sind tatsächlich die 1970er wo die Teebeutel und die Mugs massiv in die Mode kommen, was durch zahlreiche Werbespots wie dieses oder jenes perfekt in Szene gesetzt wird. Das Teegeschirr wird nur auf die Teekanne reduziert und in den späteren Jehrzehnten sehen wir oft nur noch Tassen und Mugs. Es gibt da noch einen ganzen Haufen an Büchern und Film da draußen, aber das sprare ich mir mal zwecks Anschaulichkeit - die gegenwärtige "Westliche Teebeutel-Kultur" so wie wir sie kennen, ist also knappe 50 Jahre alt und die Zubereitungsverfahren die auf CTC Assam spezialisiert sind, lassen sich nur bis in die 1940er zurückverfolgen!

Die ebenfalls penetrante Gewohnheit des Westens einen Haufen Süßigkeiten zum Tee zu verzehren scheint seinen Anfang ungefähr in den 1930ern zu nehmen, bis dahin zeigen meiste Fotos und Bilder recht überschaubare Snacks wie ein Paar Kekse, belegte/beschmierte Pemme, ein Paar Früchte etc. Man könnte da annehmen dass CTC Assam Schwarztee, der sich exzellent mit Süßigkeiten trinken lässt, eines der Hauptgründe gewesen sein könnte warum das Teetrinken bei den Russen und Briten zum "cake p0rn" verkommen ist, wo eben die Fresserei und nicht der Tee selbst im Vordergrund steht.

Es gibt aber noch viel mehr in der "westlichen Kultur" was als "schon immer so gewesen" verstanden wird, laut Quellen aber kaum ein Jahrhundert auf dem Buckel hat. ;);)  Und ja, ich sage es mal laut - was wir heute als Teefans machen ist im Grunde nichts weiter als die Wiederbelebung der originalen europäischen Teekultur des 17-19 Jh. die wiederum stark von der Chinesischen beeinflusst wurde! In diesem Sinne fühle ich mich nicht viel mehr "chinesischer" oder "westlicher" als die Teetrinker die schon vor 300 Jahren genau denselben Pfad gingen.

Grüße, OstHesse

Bearbeitet von OstHesse
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Russische Fotos vom Teetrinken aus dem späten 19. und frühem 20 Jh.

https://visualhistory.livejournal.com/432734.html

Die typischen Vorstellungen vom russischen Teetisch basieren überwiegend auf bekannten Bildern wie z.B. dem Klassiker von Kustodiev man muss aber wissen dass diese üppigen und romantisch verklärten Samowar-Bilder vorwiegend in den 1920ern und 1930ern entstanden sind! Die zeitgenössischen Fotos zeigen da etwas Obst, ein wenig Gebäck, was zum Schmieren, aber bezeichnenderweise keine Kuchen oder Torten.

Dafür aber fette Katzen... :D

Kustodiev_Boris_-_Merchants_Wife_at_Tea_

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Die höchste verfügbare Bild-Auflösung im 18 Jh! :thumbup:

Das erste Bild zeigt einen Ausschnitt aus dem Tee-Gemälde von Jean-Étienne Liotard (Anfang 1780er) und der zweite ein Tee-Service, gemalt von Philippe Mercier um 1745, und es ist offenkundig dass keines dieser Tees ein Milchtee ist! Bei Liotard sieht man an dem Löffel eindeutig dass der Tee transparent ist, und die leuchtende Farbe erinnert einen schon kräftig an moderne Yencha und Dancong (Shui Xian, Rou Gui, Qi Lan). Mercier malt uns einen deutlich dunkleren Aufguss, die Lichtquelle befindet sich hinten links und man sieht klar und deutlich dass die dem Licht entgegen stehende Innenwand der Tasse es immer noch schafft etwas Licht durch den Aufguss hindurch zu reflektieren. Von der Farbe her kann man vermuten dass es sich um einen großzügig geräucherten Tee im Zhengshan Xiaozhong - Stil handelt.

Der Punkt ist hier - Milchtees, ob Ostfriesentee, British tea, indischer Chai oder Hong Kong Milchtee sind komplett undurchsichtig! Es wird gern und oft behauptet dass die Europäer bzw. Briten "schon immer und grundsätzlich" Milch in den Tee gekippt haben, es gibt diesen jahrzehntelangen typisch britischen Streit über die Reihenfolge von Tee und Milch in der Tasse, aber die Quellen legen interessanterweise nahe dass diese ganze Milch-Sache wohl recht stark überbewertet wird.

liotard-cup-close-up.png

Tea_Still-Life.jpeg

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Die Sache mit dem "cake p0rn" bei den Russen und Briten könnte aber, zumindest bei den Briten, auch ein Entwicklung unabhängig vom CTC Assam sein.

Der Nachmittagstee der Briten wurde um 1840 explizit "erfunden" um die Spanne zwischen Mittagessen und Dinner zu überbrücken. Vornehmlich im Adel und im besseren Bürgertum, wo man versuchte die Lebensweise des Adels zu kopieren. Ich denke das auffahren von Massen an Snacks hat da eher was mit Geltungssucht zu tun. In der normalen Bevölkerung wurde da vermutlich etwas weniger Kuchen aufgefahren. Die savories sind ja auch keine Süßigkeiten die sich dann gut zum Assam essen lassen.

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  • 1 Monat später...

Noch eine Quelle...

https://www.youtube.com/watch?v=PyZ0z9rp8R0&t=36m24s

Ein russischer Tee-Historiker hält einen Vortrag über die Geschichte des Tees in Russland und zeigt die Kopie einer Preisliste aus einem St. Petersburger Teegeschäft aus dem Jahr 1833 (time tag im Link)! Die Liste hat vier Kategorien (Schwarztee, "Blumentee", Weißtee und Grüntee) und von jeder Kategorie gibt es ungefähr ein halbes Dutzend Angebote. Der billigste Tee heißt "ordinärer Schwarzer" und macht 6 Rubel, derweil der teuerste Weißtee einem mit 50 Rubeln (!!!) zu Buche schlägt.

Bermerkenswert ist auch die Tatsache dass die Provinz Fujian auf dieser Listen eine besondere Rolle spielt, denn da kommen die besten und teuersten Tees. Es wird in dieser Vorlesung auch eine Karte gezeigt wo anhand historischer Quellen rekonstruiert wurde wo genau die Europäer (Niederländer, Russen, Engländer, usw.) ihren Tee bezogen haben - es sind Fujian, Zhejiang, Anhui, Hunan, Hubei und Guangdong - wobei Fujian hochwertigen Schwarzee (Oolongs und Hongcha) und Hunan/Hubei eher billigen "ordinären" Schwarzen geliefert hat, alles Tees die sich in Europa der meisten Nachfrage erfreuten.

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  • 2 Monate später...
Am 20.2.2019 um 10:54 schrieb OstHesse:

Naja, weil so schön war... ;)
https://comestepbackintime.wordpress.com/2011/08/17/afternoon-tea-with-mrs-beeton/

Zitat

 

In order to make good tea it is necessary that the water should be quite boiling, but it must on no account be water that has boiled for some time, or been previously boiled, cooled, and then re-boiled.  It is a good plan to empty the kettle and refill it with fresh cold water, and make the tea the moment it reaches boiling point.  Soft water makes the best tea, and boiling softens the water, but after it has boiled for some time it again becomes hard.  When water is very hard a tiny pinch of carbonate of soda may be put into the teapot with the tea, but it must be used very sparingly, otherwise it may impart a very unpleasant taste to the beverage.  Tea is better made in an earthen than a metal pot.  One good teaspoonful of tea will be found sufficient for two small cups, if made with boiling water and allowed to stand 3 to 4 minutes; longer than this it should never be allowed to stand.  The delicate flavour of the tea may be preserved, and injurious effects avoided by pouring the tea, after it has stood 3 or 4 minutes, into a clean teapot which has been previously heated.

QUELLE: Mrs Beeton’s Book of Household Management. Ward, Lock & Co., Limited. 1915.

 

Es gab eine ganze Auflagenserie des Originalwerkes, der Originaltext wurde immer erweitert so dass am Ende "Mrs. Beeton" zu einer Art Eigenbezeichnung wurde, ähnlich dem Herrn "Knigge". Was uns die 1915-er Auflage aber vermittelt ist wie Tee im frühen 20 Jh. gemacht wurde bzw. was die Menschen als guten Tee erachtet haben. Man nehme weiches Wasser, bringe es zum Kochen und verwende es umgehend, langes Kochen macht Wasser hart und es ist besser neues frisches Wasser audzufüllen anstatt altes schon gekochtes zu nehmen. Ein voller Teelöffel Tee (3-4 Gramm laut eigenen Messungen) reicht für zwei kleine Teeteassen (historische Teetassen der kleineren Sorte sind so um 100-120 ml effektive Füllhöhe, hab recherchiert!), was ein Tee-Wasser-Verhältnis im Schnitt von 1g Tee auf 64 ml oder 1,6g pro 100ml ergibt.

Ich möchte dazu noch eine viel konkretere Quelle angeben: http://www.raggedsoldier.com/measurments.pdf

Es geht um die Maße des 19. und frühen 20 Jh., wobei wir auf S.21 explizite Angaben haben was ein "voller Teelöffel" und "kleine Teetasse" im damaligen Verständnis gewesen sind. Zitat: "1 small tea-cup = 1/2 cup or 4 ounces" (= 120ml) und "1 fluid drachm (dram) = 1/8 oz. or 1 teaspoon, or 60 grains" sowie "1 scruple = 20 grains, or 1/24 ounce, or a generous 1/4 teaspoon"

Ein voller Teelöffel wäre damit 60 bis 80 oder durchschnittlich 70 grains, was 4,5 Gramm entspricht. Eine kleine viktorianische/edward'sche Teetasse wäre um 120ml. Damit lässt sich meine bisherige Rechnung ganz gut bestätigen, und wenn wir eben "a generous teaspoon" oder 80gr/5,2g Tee nehmen würden, wäre das Verhältnis gar 1g auf 46ml, also im Bereich von anständigem Grüntee nach chinesischem Vorbild.

Ein spannender Fakt nebenbei...

Etwa 1km entfernt von meiner Wohnung befindet sich ein altes Gebäude, Jugendstil, erbaut  um 1900. Trotz der ganzen Jahre Jahre hat es keiner geschafft die in die Mauer eingelassene Werbetafel eines Lebensmittelgeschäftes so richtig zu entfernen, so dass man immer noch lesen kann was in diesem Geschäft vor 120 Jahren so verkauft wurde. Und eines der angebotenen Waren war eben "Chin.Thee"  :thumbup:  :trink_tee: Zu denken, dass der Tee, den ich jetzt trinke, vor 120 Jahren einen Katzensprung von mir zu kaufen war, hier in den Untiefen der westsächsischen Provinz, und die Hausfrau von nebenan eben diesen "nach Mrs. Beeton" zubereitet hätte... O.o.

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