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1998 Zhongcha Yiwu von Chadao


geroha

Empfohlene Beiträge

Wir leben in einer Zeit, wo viel über den Werteverfall und die Verrohung der Jugend geklagt wird.


[kurz mal nachdenken]


Nun, das Klagen über Verrohung der Jugend und Werteverfall hat lange Tradition, wie wir am Ausspruch des Song-zeitlichen Literaten Li Zhi Lai erkennen:


Drei Dinge auf dieser Welt sind höchst beklagenswert:


Das Verderben bester Jugend durch falsche Erziehung,


das Schänden bester Bücher durch gemeines Begaffen


und die Verschwendung besten Tees durch unsachgemäße Behandlung


(zitiert nach Chadao)



Aber es gibt noch junge Menschen, dier Werte wie Freigibigkeit hochhalten und besten Tee zu schätzen wissen!


Ein solcher junger Mensch hat mir eine Probe geschickt von einem Tee, den er bei Chadao gekauft hat:


1998 Zhong Cha Bing Cha



Diesen Tee genieße ich heute Vormittag ganz entspannt am Couchtisch. Simples Setup mit Porzellan-Gaiwan, großer Teeschale und Heißwasser aus der Thermoskanne. Der Tag ist ruhig - Familienbesuch ist bewältigt, meine Frau ist arbeiten und ich habe als einzige Ablenkung das entzückende Schnarchen einer Katze im Ohr.



Der Tee ist ... auch ruhig. Der Duft entzündet kein Feuerwerk, ist trotz leicht erdiger Aromen weit entfernt von der berüchtigten Zombiefaust. In die Schale gegossen zeigt sich der quirligste Zug des Tees: ein sehr lebendiger Orangeton.


Ich nippe am Tee und schmecke ganz zart den cremigen Rahmspinat meiner Mutter, was für mich der begehrteste Geschmack in alten Sheng ist, die etwas feucht gelagert wurden. Kampfer kommt nur als Ahnung durch - ich merke mehr antike Holznoten als kühlende Frische. Das deutlichste Geschmacksmerkmal ist die Süße, die man auf die gelungene Reifung oder die Yiwu-Herkunft zurückführen mag. Aber selbst diese Süße ist nichts, was mich flasht.


Kommen wir zum Nachgeschmack: der Rahmspinat bleibt lang. Es gibt keinen Wandel von anfänglicher Bitterkeit in Süße, weil einfach keinerlei Bitterkeit in diesem Tee für mich vorkommt. Die Süße hallt nach und ebbt nur ganz langsam ab.



Dieser Tee ist sanft. Nein, das muss ich anders schreiben: dieser Tee ist SANFT! Erstaunlich, wie ein so milder Eindruck zugleich so stark sein kann. Das intensivste Erleben dieses Tees findet für mich weder in der Nase, noch im Auge, noch im Mund statt. Viel beeindruckender ist für mich die Wirkung aufs Gemüt. Ich blicke hoch vom Laptop, sehe einfach ganz entspannt geradeaus und mein Blick fällt auf die eben noch schnarchende Katze. Auf der Fensterbank im Sonnenschein räkelt sie sich, um dann neu zusammengerollt weiter wohlig zu schlummern. Mit diesem Tee im Bauch meine ich nachempfinden zu können, wie sie sich gerade fühlt.



Mein herzlicher Dank dem edlen Spender, den ich nicht namentlich nenne, um ihn vor etwaigen Bettelmails zu verschonen. ;)

Bearbeitet von geroha
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  • 2 Wochen später...

... ohne weiter auf den edlen Spender eingehen zu wollen, will ich auch ein paar Gedanken zu diesem Tee beisteuern...



Als ich letztes Jahr im Spätsommer bei Herrn Thamm in Neu-Isenburg war, habe ich, auf Empfehlung des Gastgebers, diesen Tee das erste Mal probiert. Mir fällt es immer etwas schwer, bei den ersten Sessions etwas zu einem bestimmten Tee zu sagen, aber ein Schlagwort wie Eleganz trifft den ersten Eindruck ganz gut.



Da ich nun die Gelegenheit habe, den Tee zu Hause, mit eigenem Geschirr und in Ruhe zu betrachten, entsteht eine leise Ahnung, welches Potential sich in diesem Kuchen verbirgt...



Vorne weg: noch kein Tee hat in diesem Maße meine Aufmerksamkeit gefordert wie dieser! Also nichts von Couch, gerade mal nebenher, wird schon werden... oder doch?!



Schaut man sich das trockene Blatt genauer an, sieht man viele verschiedene Blattgrade: kleine Stengel mit Knospe, etwas reifere/ältere Blätter mit schönen Rottönen und viel Blatt, meist ganz erhalten, dazwischen.



Die Aufgussfarbe wechselt zwischen einem vollen orange und leichten Rottönen, was auf die beginnende Reife und das Alter schließen lässt.


Auch der Geschmack lässt auf diesen Übergang schließen: nicht mehr ganz jung (Aprikose und Pfirsich) aber auch noch keine starken Holz und Erdaromen. 



Der Tee hält über viele Aufgüsse hinweg seine Stärke: Eleganz, leichte Herbe, Holz, rote Früchte.



Nach meinem Empfinden ein Tee mit hohem Reifepotential und eine Herausforderung für interessierte pu´erh Trinker!


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